IMPULS #2: Adorea Olomouc und BladeBros Crew

Ein wichtiger Teil meiner Recherche besteht aktuell darin, nach Beispielen zu suchen, die historisches Fechten und moderne Filmästhetik miteinander verbinden. Dabei bin ich auf mehrere Gruppen gestoßen, die nicht nur als HEMA Praktizierende aktiv sind, sondern auch als professionelle Stuntperformer und Choreografen arbeiten und deren Videos mir teilweise schon seit mehreren Jahren ein Begriff waren. Besonders Adorea Olomouc1 sowie die BladeBros Crew2 sind für mich dabei in den letzten Monaten zu Accounts geworden, die ich regelmäßig aufrufe, um sie nun, im Gegensatz zu früher, nicht als reiner Konsument, sondern von einer anderen Perspektive analysiere.

Diese Teams veröffentlichen regelmäßig Kurzfilme, Choreografien und Trainingssequenzen auf YouTube und Instagram,wobei die Bandbreite von historisch orientierten Zweikampfszenen bis hin zu kleinen Action Geschichten reicht. Dabei fällt sofort auf, dass hier nicht nur historisches Wissen, sondern auch filmisches Handwerk eingesetzt wird. Sie bedienen hierbei sowohl “längere” Videoformate auf YouTube als auch Social Media Reels, um ein breites Publikumsspektrum zu erreichen, wodurch sich ihr Content nicht nur an HEMA Enthusiasten, sondern ganz klar auch an ein breites online Publikum richtet.

Der Fokus liegt auf Action und Dynamik und Ästhetik, sowohl bei den Stunts als auch der Kameraführung, manchmal auch mit humorvollen Elementen bestückt.

In den Videos erkennt man deutlich das sportlich-professionelle Know How der Schauspieler. Technikfolgen werden meist so gesetzt, dass sie für den Zuseher sauber erkennbar sind und Kenner des Sportes auch leicht erkennen können, dass sehr viele der Techniken auf historischen Quellen basieren. Die Bewegungen orientieren sich zu sehr großen Teilen an dem, was aus Fechtbüchern und Fechttraining nachvollziehbar wäre. Genau dieser Hybrid ist es, der mein Interesse geweckt hat, sich tiefer mit der Darstellung ebenjener Choreografien zu beschäftigen, denn besonders in modernen Hollywoodfilmen ist die Anzahl an Schauspielern, die historisch-fechterisches Know-How besitzen, verschwindend gering.

Die Kurzfilme setzen bei den Actionszenen auf eine bewegte Kamera mit teilweise längeren Einstellungen, wie man sie vergleichsweise aus modernen Actionszenen kennt, die den Kampf als kontinuierlichen Ablauf zeigen und dadurch nachvollziehbarer wirken lassen. Die Choreografien basieren meist sichtbar auf historischen Techniken und bleiben dabei für das Publikum klar lesbar. Der Schnitt ist zurückhaltend und überlässt der Bewegung im Raum das Erzeugen von Rhythmus und Spannung. Sound unterstützt die räumliche Wahrnehmung und verstärkt die physische Präsenz der KämpferInnen. Insgesamt entsteht ein Hybrid aus historischer Glaubwürdigkeit und filmischer Dynamik, der sowohl HEMA Kenner als auch ein breiteres Publikum anspricht. In den Abonnenten und Kommentatoren findet man daher mitunter auch viele Film- und Videospielenthusiasten aus den Bereichen Fantasy und History.

Was die Reels von ihren klassischen Kurzfilmen unterscheidet, ist vor allem die Art der visuellen Erzählung. Ihre Reels setzen häufig auf eine durchlaufende Kamera ohne Schnitt zwischen den Aktionen. Das bedeutet: keine Montage von vielen kurzen Einstellungen, sondern eine Bewegte Kamera begleitet die FechterInnen von Aktion zu Aktion, oft mit rasanten Kamerafahrten und stetiger Bewegung im Bild. Die Aktionen bleiben durchgehend sichtbar und werden gelegentlich von Speedramps oder kurzen SloMo Passagen untermalt. Dadurch entsteht eine andere Dynamik, als zu den Kurzfilmen, wodurch dieser Content energiegeladener wirkt und beim Zuschauer das Gefühl von kampfkünstlerischen bzw. technischem Talent der Schauspieler verstärkt. Zusätzlich sind die Akteure zumeist in modernen Settings zu sehen, welches sich auch in der Art der Bewegung von den hostorisch angehauchten Videos unterscheidet.

Link zum Video

Besonders für die Darstellung bewaffneter Duellszenen finde ich diesen Ansatz sehr interessant: Technik, Körperbewegung und Timing erscheinen nicht fragmentiert, sondern als ein lebendiger, konstanter Ablauf, welcher die Glaubwürdigkeit unterstützt und mehr als nur eine ästhetische Choreografie vermittelt. Zusätzlich ist diese Art von Content eine spannende Verschmelzung zweier Welten und ein nicht zu unterschätzenden Ansatz, um jüngeres Zielpublikum zu erreichen und um aufzuzeigen, wie beeindruckend technisch akkurates Fechten auf Film wirken kann und wie cool dieser Sport ist 🙂

  1. Webseite von Aadorea Olomouc ↩︎
  2. YouTube Auftitt von Bladebroscrew ↩︎

IMPULS #1 : „The Duelists“ (1977) Filmabend

Wenn man sich, so wie ich in den vergangenen zwei Semestern, sehr intensiv mit der filmischen Darstellung von bewaffneten Kämpfen bzw. Duellen beschäftigt, landet man früher oder später bei The Duelists (1977), Ridley Scotts Debütfilm, der mir mehrfach von Mitgliedern meines Fechtvereines empfohlen wurde. In meinem Fall war der vor kurzem stattgefundene Filmeabend, bei welchem wir uns diesen Film vorgenommen haben, ein für mich wertvoller Diskussionsanstoß und Meinungsaustausch zum oben genannten Thema und damit gleichzeitig ein interessanter Impuls für meine weitere Forschungsarbeit über Authentizität und Storytelling in filmischen Kampfszenen.

Zu dem spontanen Filmabend gesellten sich insgesamt vier weitere Vereinsmitglieder und gemeinsam beobachteten wir, wie die beiden Charaktere Armand d’Hubert  und Gabriel Feraud über Jahrzehnte hinweg in Duelle verwickelt werden.

Die beiden Duelle mit dem Smallsword wurden von Ilja (unserem Rapieristen der Runde) durch zustimmendes Nicken doch mit viel Anerkennung begleitet. Die Körperhaltung, Beinarbeit und die Mensur (die Distanz zwischen zwei Fechtern) entspricht dem, was man in historischen Quellen findet, weshalb der Film in HEMA-Kreisen als ein gutes Beispiel für relativ akkurat inszenierte Smallsword-Gefechte gilt. Und trotzdem schmunzelte Ilja gelegentlich, wenn für ihn „offensichtliche Blößen“ in der Deckung waren und manch eine Aktion eine Prise zu ausladend gestartet wurde, war mir wieder vor Augen hielt, dass Personen mit Expertenkenntnisse ein anderes Auge für Darstellungen dieser Art haben. Trotz diesem „Makel“ waren die Duelle sehr realistisch und kurz gehalten, die Kontrahenten lauerten einander auf, warteten auf einen Fehler oder eine unbedachte Handlung, um ihre Aktion zu setzen und ihr Gegenüber zu treffen.

Besonders die beiden Säbelduelle wirken emotionaler, wilder und deutlich hektischer, was sich auch in Kamera und Schnitt wiederspiegelte. Jacob, einer der jüngsten in unserem Team, fragte gegen Ende der Szene verblüfft in die Runde: „Und das sollen gute Fechtdarstellungen sein?“ Ich stimmte zu, diese Szene wirkte eskalierend und soll den Start der Feindschaft zwischen Armand d’Hubert und Gabriel Feraud für die Zuschauer greifbar machen, worunter die Darstellung korrekter Säbeltechniken deutlich litt. Die Säbel werden in der Szene wild durch den Raum geschwungen und historisch technische Akkuratesse wurde genau zu Beginn, als die Duellanten ihre Waffen zogen, gezeigt.  

Die Szene wirkte klar übertrieben, aber dennoch emotional wirkungsstark, wodurch ich mir durch den Film wiederholt die Frage stellte: Wie viel Realismus darf zugunsten von Storytelling verloren gehen?

Als Fechterin und „Filmschaffende“ sitze ich gefühlt immer zwischen zwei Welten:

  • HEMA will Präzision und Akkuratesse
  • Film will Emotion und Spannung

In realen Duellsituationen entscheidet (je nach Regelwerk) der erste Wirkungstreffer, im Film schwingt jedoch stets die Geschichte mit. Ein Gefecht, der nach wenigen Sekunden vorbei ist, mag realistisch sein, aber er wird weniger zu anderen Elementen der Geschichte eines Filmes beitragen.

The Duelists zeigt, wie viel Mühe und Bewusstsein in filmische Duelle fließen können. Er hat mich daran erinnert, dass Realismus nicht allein durch die dargestellten Technik entsteht, sondern durch Einfluss von Emotionen und Persönlichkeit der Darsteller.

Ebenso erinnerte ich mich wieder daran: Filme haben ihre eigene Realität. Sie dürfen die Realität biegen, solange es für die Geschichte sinnvoll ist.

Für mein Projekt heißt das:
Ich möchte Wege finden, wie historische Authentizität und dramaturgische Spannung gleichzeitig funktionieren können. Kein „entweder… oder“, sondern den Versuch wagen, ein „sowohl als auch“ zu schaffen.

Und wenn dabei gelegentlich ein HEMA-Fechter schmunzelt, umso besser. Das bedeutet, dass sie im Training gut aufgepasst haben.

#8 Postpro und Erkenntnisse

Nachdem die Dreharbeiten abgeschlossen und alle Takes gesichert waren, begann die nächste zentrale Etappe meines Projekts: das Sichten und Schneiden des Materials. Der Fokus lag dabei zunächst auf Team 2, das bereits während der Produktion die komplexeste und aufwändigste Choreografie geliefert hatte, sowohl inhaltlich als auch kameratechnisch. Genau deshalb war es mir ein Anliegen, mit diesem Material in den Schnittprozess einzusteigen.

Der erste Rohschnitt ist mittlerweile fertig und hier einsehbar:

Das erste Durchsehen des Materials war für mich, wie so gerne eine Mischung aus Vorfreude und Ernüchterung. Einerseits sah das Rohmaterial auf den ersten Blick teils sehr beeindruckend aus, die Schauspieler gaben ihr Bestes in Ihrer Choreografie und vollzogen diese mit technischer Perfektion.

Andererseits realisierte ich erst beim Sichten, wie viele Takes der eine oder andere komplexere Stunt tatsächlich benötigte und ich das im Eifer der Kameraarbeit kaum aktiv wahrgenommen habe, dazu gehörten das Ringen, der anschließende Wurf und das gegenseitige Entwaffnen. An dieser Stelle muss ich wieder großen Dank an Thomas Hofer aussprechen, der die Stuntkoordination und auch das Schreiben der Shotliste übernahm.
Ebenso bemerkte ich im Schnittprozess kleinere Fehler, die bei meiner Kameraarbeit entstanden sind. So gibt es einzelne Shots, bei denen ich die Schauspieler zu langsam mitverfolgt habe und sie mir wortwörtlich aus dem Frame davon liefen oder ein Klingenaustausch außerhalb des sichtbaren Bereich passierte. Im Falle von Gruppe 2 passierte dies beispielsweise in dem Moment, wo Ben sich vom Wegstoßen aufrafft und erneut Simon attakiert (Sekunde 27 im Rohschnitt), hierbei schafft ich es leider bei keinem einzigen Take beide Kontrahenten ins Bild zu bekommen, weshalb ich mich im Feinschnitt dazu entschied, früher auf den darauffolgenden Shot zu wechseln, wodurch dieser zwar nun länger dauert, jedoch dieser Fehler zu Gänze umgangen werden konnte.

Was mir persönlich der größte Dorn im Auge ist, ist die Tatsache, dass ich sehr wenig qualitativ gute Aufnahmen in der (Halb) Totale der Gruppe habe und ich zugleich sehr viele Teile sehr nahe filmte. Von Amerikanischer bis Nahaufnahme habe ich alles sehr breit abgedeckt, jedoch mangelt es an Ausweichmöglichkeiten zu alternativen Long Shots.
Ich habe zwar bei jeder Choreografie drei Sicherheitsaufnahmen aus unterschiedlichen Winkeln gemacht, diese sind jedoch statisch und im Gegensatz zum restlichen Footage sehr simpel gehalten. Im Rahmen des Feinschnitts werde ich dieses Thema nochmal beleuchten und einen genaueren Blick darauf werfen, ob und wo man einen Long Shot einbauen könnte.

Der erste Rohschnitt mit Team 2 zeigte mir sehr deutlich, dass der Aufwand, sowohl in der Vorbereitung als auch am Set, gerechtfertigt war und erste Früchte trägt. Die Choreografie ist anspruchsvoll und dennoch nachvollziehbar. Natürlich ist dies nur der erster Arbeitsschritt und viele weitere Schritte wie Sound, Feinschnitt und Color Correction stehen noch aus. Aber der Grundstein ist gelegt.

Fortsetzung folgt bald mit Team 1. Team 3 und Team 4, schaut daher während der Ferien gerne nochmal vorbei!

#7 Der Drehtag – Vier Choreografien, eine Kamera

Am Samstag war es so weit und der lang erwartete Drehtag stand uns bevor. Nach wochenlanger Vorbereitung, Tests, Storyboard-Anpassungen und Proben ging es nun endlich ans Eingemachte. Vier Teams, vier Choreografien, vier verschiedene Herausforderungen und ein durchgetakteter Tag mit knapp neun Stunden Drehzeit.

Ankunft und Aufbau – 09:30 Uhr

Pünktlich um halb zehn traf ich gemeinsam mit Tom am Drehort ein. Die Location, das Kellergewölbe der Sprezzatura Fechthalle, war bereits vom Vorabend vorbereitet. Licht, Kamera und Gimbal wurden eingerichtet, Ersatzakkus bereit gelegt, und nach einem kurzen Briefing und finalen Testen konnte der Dreh tatsächlich um etwa 10:00 Uhr starten.

Folgende Reihenfolge an Einstellungen hatte sich von Beginn an gut etabliert und wurde während des gesamten Drehtages auch so eingehalten:

  • Start mit Totale aus drei Winkeln (Ecke Links, Mittig, Ecke Rechts), wenig bis kaum Bewegung, außer es war choreografisch nötig
  • Filmen der Choreo aus Halbtotale bis Amerikanische, jeweils einen der Schauspieler*innen im Fokus (Tracking)
  • Dann erst wurden die Storyboard-Shots nach und nach abgearbeitet

Mir persönlich war es wichtig, ausreichend Backup-Clips der einzelnen Choreografien zu haben, damit ich während des Schnitts freie Auswahl an Kameraeinstellungen und -winkel habe, insbesondere, da zum Zeitpunkt der Produktion noch die praktische Erfahrung bei mir fehlte. Daher wählte ich das Motto “lieber zu viel Auswahl an Clips als zu wenig.”

Team 1 (10:00 – ca. 11:30 Uhr): Der sanfte Einstieg

Die erste Gruppe bildete den idealen Auftakt. Die Choreografie war einfach gehalten, keine riskanten Würfe, keine komplizierten Techniken oder komplexe Kamerafahrten. Entsprechend ruhig und konzentriert verlief auch der Dreh. Wir konnten uns gemeinsam einarbeiten, Kamera und Bewegung aufeinander abstimmen und erste Shots aufzeichnen, ohne direkt unter Druck zu geraten.

Die eingeplante Zeit von rund 1,5 Stunden wurde eingehalten, trotz kleinerer Wiederholungen waren wir gut im Zeitplan und es bestätigte sich, dass der Einstieg mit der einfachsten Choreo eine sehr kluge Entscheidung war.

Team 2 (11:30 – ca. 14:45 Uhr): Anspruch auf allen Ebenen

Gruppe 2 war von Anfang an als die mit Abstand anspruchsvollste Choreografie eingeplant – und genau das sollte sich auch bestätigen. Der Dreh mit diesem Team nahm schließlich über 3 Stunden und 15 Minuten in Anspruch, also deutlich länger als geplant.

Besonders aufwendig gestalteten sich die Kamerafahrten während des Ringens und Wurfes, inklusive des von mir durchgeführten Arc-Shot und eines optionalen Close-Ups, das separat aufgenommen wurde. Auch das gegenseitige Entwaffnen mit finaler Endpose erforderte viele Wiederholungen, nicht zuletzt, weil der finale Shot mit einem komplexen Kameralauf, ein erneuter Arc Shot, im Halbkreis und anschließendem Rückwärtsgang gefilmt wurde. Als zusätzliche Herausforderung befand sich meine Endposition so eng an der Trainingswaffenwand wie es nur möglich war, um die Szene in einer Totale enden lassen zu könne.

Die Generalprobe am Vortag erwies sich hier als absolut entscheidend. Ohne diesem intensiven Vorab-Training des Shots und das gezielte Durchspielen besagter Szenen wäre der Zeitverlust voraussichtlich noch gravierender gewesen.

Da der Zeitplan bereits zu kippen drohte, wurde die Mittagspause auf ein Minimum von 15 Minuten reduziert, um nicht noch mehr Verzögerung für die kommenden Teams zu verursachen.

Team 3 (14:30 – ca. 15:45 Uhr): Der Flow entscheidet

Die dritte Gruppe hatte eine gut lesbare und klar strukturierte Choreografie vorbereitet, die auf dem Papier deutlich unkomplizierter wirkte. Tatsächlich zeigte sich aber, dass die Arbeit mit diesem Team eine eigene Herausforderung mit sich brachte: Die Kämpferinnen konnten nicht in einer beliebigen Passage einsteigen, sie mussten die Szene immer vom Anfang an durchspielen, um in den nötigen Flow zu kommen.

Das bedeutete: Selbst kleine Fehler am Ende der Szene machten einen vollständigen Neustart erforderlich. Besonders die Schlussszene (Dolchziehen und Dolchstoß) erwies sich als Wiederholungstreiber. Jeder Take musste sitzen, um die Szene kohärent und filmisch lesbar zu gestalten.

Obwohl wir nur leicht überzogen haben, war die Energie gegen Ende dieser Gruppe merklich angespannter, auch bei mir, da sich die Erschöpfung nun allmählich bemerkbar machte.

Team 4 (15:45 – 17:30 Uhr): Der starke Abschluss

Die vierte und letzte Gruppe war besonders gut vorbereitet, was sich deutlich im reibungslosen Ablauf bemerkbar machte. Die Bewegungsabfolge war präzise, die Kommunikation innerhalb des Teams funktionierte hervorragend, und auch die Anpassungen an die Kamera liefen fast automatisch.

Herausfordernd blieben zwei Szenen: der Knaufstoß zum Kopf sowie die Abschlussszene, die physisch und timingtechnisch einiges abverlangte. Besonders erfreulich war hier die kreative Entscheidung, zwei alternative Enden zu drehen, um später im Schnitt die Variante wählen zu können, die filmisch am besten trägt. Diese Entscheidung entstand spontan und zeigt, wie wertvoll eine gute Dynamik am Set ist.

Um 18:45 Uhr war der letzte Shot im Kasten, das Equipment wurde zusammengepackt, und ein intensiver, aber produktiver Drehtag fand seinen Abschluss.


Fazit: Kraft, Konzentration und Kamera im Gleichgewicht

Der Drehtag war eine Herausforderung, körperlich, logistisch, kreativ. Vier Teams in knapp neun Stunden zu drehen, bedeutet maximale Konzentration, präzise Kommunikation und ständiges Improvisieren. Nicht alles lief perfekt, aber vieles lief besser als erwartet – vor allem durch die gute Vorbereitung, die Bereitschaft zur Anpassung und das Vertrauen in die Beteiligten.

Für mich war es der erste Drehtag dieser Art, an dem ich DoP, Regie, Licht, und Organisation gleichzeitig betreuen musste – ein Spagat, der zwar funktionierte hat, aber auch seine Grenzen spüren ließ.

Zur Grammatik- und Rechtschreibüberprüfung wurde ChatGPT herangezogen.

#6 Vorbereitungen Teil 2 – Kamera, Gimbal & Generalprobe

Nachdem die organisatorischen und inhaltlichen Eckpunkte gesetzt waren, rückte die technische Umsetzung in den Vordergrund. Kamerawahl, Equipmenttests, Generalprobe und die Anpassung des Storyboards bildeten die zweite Phase meiner Vorbereitungen. Ziel war es, nicht nur funktional bereit zu sein, sondern ein Gefühl für Bewegung, Timing und Blickführung im realen Raum zu entwickeln – und damit den Übergang von Theorie zu gelebter Praxis zu schaffen.

Welche Kamera? Eine Entscheidung zwischen Sicherheit und Risiko

Zu Beginn stand die Frage nach dem Kamerasystem im Raum. Die ersten Überlegungen wurden bald schon zu ambitioniert: Drehen mit einer Blackmagic URSA und Fokus-Pulling erledigt ein Kameraassistent. Der Gedanke klang reizvoll, doch die Sorge vor fehlenden Fokus bei bewegten Choreografien ließ mich zögern und spätestens nach Einholen einer zweiten Meinung ließ ich die Idee schnell wieder fallen.

Also fiel die Entscheidung bewusst auf Sicherheit und Vertrautheit: Meine Canon EOS R5. Eine Kamera, mit der ich seit Jahren fotografisch arbeite, die ich blind bedienen kann und deren Autofokusleistung im Fotobereich mich regelmäßig überzeugt. Für dieses Projekt wollte ich erstmals ihr volles Potenzial im Videobereich ausschöpfen. Was der Autofokus im Filmkontext wirklich leistet, sollte sich allerdings erst im Praxistest zeigen.

Gimbal-Test in der offenen Halle

In der Woche vor dem Dreh nahm ich mir eine Stunde Zeit für einen intensiven Gimbal-Test mit dem DJI Ronin RS2 Pro plus der auserkorenen Canon R5. Ziel war es Kamerabewegungen zu erproben, die korrekten Einstellungen im Gimbal passend für Actionszenen zu finden und zu erkennen, welche Objektive samt Brennweiten ich für den Dreh hauptsächlich einsetzen werde.

Die Location war die offene Halle meines HEMA-Vereins in Graz – ein vertrauter Ort, wenn auch diesmal mit ungewohnt leerem Trainingsbetrieb. Die Langschwert-Freifechter Gruppe, die sonst stets vor Ort war, fehlte, also nutzte ich die Gelegenheit, um die Tests mit der anwesenden Schwert-und-Buckler-Truppe und einem Solo-trainierenden Mitglied durchzuführen.

Trotz begrenzter Möglichkeiten war der Test aufschlussreich:

  • Ich erprobte mich in allerlei Bewegungsmustern, Rotationen aus der Hüfte, Bewegungen nur aus den Armen, aktives Tracken von Fechtern, und vieles mehr um das Verhältnis von Körper- zu Kamerabewegung zu erproben.
  • Ich entschied mich Brennweiten zwischen 35mm und 50mm zu verwenden
  • Die Einstellungen des Gimbals wurden an die Dynamik angepasst – insbesondere die Follow Speed (schnell) Einstellungen justiert, damit der Gimbal bei schnellen Bewegungen mindestens genauso schnell und präzise reagieren kann und die Schauspieler*innen nicht aus dem Fokus verliert.
  • Eine Stunde durchgehend mit dem Gimbal zu Arbeiten wird in den Armen spürbar. Auf Pausen am Drehtag achten!

Zwar konnte ich in dieser Umgebung nicht alle voraussichtlich geplanten Bewegungsbahnen realitätsgetreu simulieren, aber der Test war essenziell, um die Kamera-Gimbal-Kombination aufeinander abzustimmen und mein Bewegungsgefühl im Raum zu schärfen.

Generalprobe in Wien – Letzte Vorbereitungen und Üben direkt an den Schauspielern

Am Freitag, dem Vortag des Drehs, fand schließlich die Generalprobe auf der Donauinsel statt. Dieser Tag war für mich sehr wichtig, um das Zusammenspiel von Kamera und Choreografie live zu testen und auch für die Darsteller*innen war es eine gute Vorbereiten darauf, dass eine Kamera sich in unmittelbarer Nähe befindet und sie sich davon nicht ablenken lassen dürfen.

Besonders bei der Choreografie von Simon und Ben, die eine intensive Ring-Stunt mit Achsendrehung enthielt, zeigte sich, dass das Live sehen nochmal die Türen für neue Ideen öffnet. Mir kam daher während der Probe die Idee, vom Ursprünglichen Plan weg zu gehen und die Ringszene mit einer Kamerabewegung (Arc) auf die andere Achse zu befördern, eine Entscheidung, die sich im Nachhinein als goldrichtig herausstellte, da sie die Kamerakomplexität nochmal um eine Stufe anhob.

Die größte Herausforderung des Probe war allerdings nicht technischer, sondern meteorologischer Natur: Die Sonne. Mein Equipment – insbesondere Displayhelligkeit und Dynamikumfang – war auf Indoor-Bedingungen im Keller abgestimmt. In der prallen Nachmittagssonne auf der Donauinsel war die Displayablesbarkeit der Canon R5 nahezu null, was es unglaublich erschwerte zu erkennen, was ich genau filmte.

Storyboard Finalisierung: Letzte Nachtschicht vor dem Dreh

Die vielen Erkenntnisse aus der Generalprobe machten eine Überarbeitung des Storyboards unumgänglich. Was auf Papier funktionierte, wirkte live oft zu starr oder zu unübersichtlich. In einer späten Nachtaktion wurden daher das Storyboard und Shotlist neu strukturiert unde Einstellungen gestrichen oder ergänzt. Trotz Müdigkeit war diese Phase sehr produktiv: Das Storyboard wurde nicht nur korrigiert, sondern erstmals zur Gänze aufs Blatt gebracht, mit den gewonnenen Erkenntnissen aus der Generalprobe.

Fazit: Die Technik steht

Mit dem Abschluss der Vorbereitungen war klar: Kamera, Gimbal und Storyboard waren bereit – aber nicht in Stein gemeißelt. Vielmehr hatte ich jetzt das nötige Vertrauen in mein Setup, um am Drehtag flexibel reagieren zu können. Die Canon R5 hatte sich in der Vorbereitung bewährt, der Gimbal war eingestellt, und die Bewegungen der Fechter*innen waren mir nun nicht mehr nur auf dem einseitigen Smartphone Video vertraut.

#5 Erste Vorbereitungen – Von der Idee zur konkreteren Planung

Nachdem die theoretischen Grundlagen gelegt und zahlreiche filmische Vorbilder analysiert wurden, ging es für mein Projekt nun an die erste konkrete Umsetzungsphase. Ziel ist es, vier choreografierte Actionszenen filmisch einzufangen, mit dem Fokus auf Kameraführung, Bildgestaltung und der Frage, wie sich Bewegung im Film sichtbar und lesbar machen lässt. Doch bevor bereits zu viele Gedanken an den Drehtag verloren gehen, braucht es Planung, Organisation und starke Partner.

Kooperation mit INDES Wien

Ein zentraler Schritt war die Zusammenarbeit mit INDES Wien, einem der größten HEMA-Vereine Österreichs. Im Rahmen einer in Graz stattgefundenen Lehrwerksfeier dieser Sportart ergab sich ein zufälliges, aber sofort inspirierendes Gespräch mit Thomas Hofer, dem Obmann und Trainer der Schaukampfsektion des Vereins. Als ehemaliger Schauspieler bringt er nicht nur umfassende Bühnenerfahrung, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Schnittstelle zwischen Bewegung und Darstellung mit.

Thomas stellte mir seine fortgeschrittene Schaukampfgruppe zur Verfügung, motivierte Fechter*innen mit Schaukampferfahrung, die bereit waren, sich auf dieses filmische Experiment einzulassen. Wir beschlossen, dass vier unterschiedliche Paarungen mit jeweils einer eigenen Choreografie gefilmt werden. Die Länge der Szenen sollte pro Paar ca. 30 Sekunden bis maximal eine Minute betragen, ideal, um verschiedene Herangehensweisen an Bewegung, Shotstruktur und Schnitt zu erproben, ohne darstellerisch zu sehr auszuarten. Bei den ausgewählten Waffen war 3x Langschwert, darunter zwei Choreografien zusätzlich mit Dolch, und eine Gruppe mit Langen Messern vertreten.

Locationwahl

Als Drehort fiel die Wahl auf die Sprezzatura Fechthalle1 im ersten Wiener Gemeindebezirk, ein atmosphärisches Kellergewölbe mitten in der Innenstadt. Abseits von Tageslicht und Passanten, bietet der Raum eine intime, kontrollierbare Umgebung, in der sowohl Choreografie als auch Kameraführung gezielt geplant werden konnten. Die Backsteinwände und Bögen schaffen ein visuelles Grundgerüst, das sich gut für den geplanten Look eignet, ohne dabei von der Choreo selbst zu sehr abzulenken.

Einzige Herausforderung: eine Spiegelfront an einer der kurzen Wandseiten, die bei bestimmten Kamerawinkeln schnell ungewollte Reflektionen oder Sichtbarkeit des Kamerateams verursachen können. Für die Shotplanung bedeutete das: noch sorgfältiger auf Blickachsen und Hintergründe achten, ein Detail, das nach Erkennung der Gefahr sofort in die Vorbereitung für das Storyboard eingeflossen ist.

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Lichtgestaltung

Um den Fokus auf die Kameraarbeit zu legen, wurde die Beleuchtung bewusst minimalistisch gehalten. Der Raum selbst sollte Teil der Szene werden, ohne dabei zu Ablenkend zu wirken. Da es keine Fenster gab, konnte ich mit voller Kontrolle über Licht und Schatten arbeiten.

Zwei Amarant F22 C LED-Panels wurden so positioniert, dass sie über der Aktionsfläche montiert Spannung erzeugen, ohne zu stark in den Vordergrund zu treten. Ziel war eine ausbalancierte Lichtstimmung, die genug Kontrast bietet, um Tiefe und Struktur in den Bewegungen zu erzeugen, gleichzeitig verschwanden Hintergrundelemente, wie die Garderobe oder die Tür zum Abstellraum, eher ins Dunkle.

Strategische Reihung der Choreografien

Da nicht alle Gruppen die gleiche Erfahrung im Schaukampf mitbrachten und auch der Schwierigkeitsgrad der Choreografien variierte, wurde bereits im Vorfeld eine sinnvolle Reihung der Drehs vorgenommen – nach Komplexität der Choreografie und Anspruch an die Kameraarbeit. Schnell war klar, dass wir mit einer technisch einfacheren Szene zu starten, um langsam in Betrieb zu kommen, bevor die schwierigeren Paarungen folgten.

Die Reihenfolge sah folgendermaßen aus:

Gruppe 1: Kurze Choreografie mit geringer Komplexität

Gruppe 2: Die technisch und kameratechnisch anspruchsvollste Szene, mit einer längeren, sehr detaillierten Kampfsequenz.

Gruppe 3: Veronika und : Längere Choreografie mit mittlerem Schwierigkeitsgrad

Gruppe 4: Ebenfalls mittellang, mit leicht erhöhter Kameradynamik, aber weniger körperlicher Intensität als Gruppe 2.

Mit diesen Vorbereitungen war das Fundament für die kommenden Drehtage gelegt. Im nächsten Blogpost folgt ein detaillierter Einblick in die technischen Probeläufe, von Equipmenttests über die Generalprobe bis hin zur finalen Shotplanung im Storyboard. Bleibt also dran!

  1. Link zu Sprezzatura ↩︎

#4 Was wir von The Raid (2011) über Action-Kameraarbeit lernen können

Der indonesische Film The Raid (2011) von Regisseur Gareth Evans gilt nicht wegen bombastischer Effekte, sondern gerade aufgrund seines minimalistischen, handwerklich durchdachten Zugangs als Vorzeigebeispiel in Sachen Low-Budget Actionfilmen. In seinem Analysevideo „No CGI. No Budget. And they made Action History“ zeigt YouTuber Lancelloti auf, wie dieser Film Maßstäbe setzte, und was man daraus für die eigene Kameraarbeit mitnehmen kann.

Kamera als stiller Leiter durch die Szene

In vielen modernen Actionfilmen wird Bewegung oft durch schnelle Schnitte und unruhige Kamera suggeriert statt wirklich gezeigt. Lancelloti kritisiert diesen Trend deutlich und zeigt anhand von Beispielen aus The Raid, dass die Kamera gezielt geführt wird: Sie zeigt Bewegungen in ihrer Gänze, folgt den Akteuren so, dass man Angriffe, Reaktionen und Treffer wirklich lesen kann.

Dabei kommt kein teures Equipment zum Einsatz, stattdessen wird auf das Zusammenspiel von Kamera und Choreografie gesetzt, in der Timing eine wichtige Rolle spielt. Die Kamera ist zwar in Bewegung, aber nie ziellos. Sie weiß, wo der Fokus liegt, wer agiert, wer reagiert und wohin der nächste Schlag geht. Es ist eine bewusste Führung innerhalb des Frames, die dafür sorgt, dass Zuschauer*innen nicht nur Gewalt konsumieren, sondern den Kampf im eigentlichen Sinne sehen. Angewandte Kampfkunsttechniken sind klar erkennbar und werden trotz deutlich häufigere Schnitte, als in vergleichbaren östlichen Actionfilmen, dennoch visuell beeindruckend und gut verfolgbar in Szene gesetzt.

Ein zentrales Prinzip, das Lancelloti hervorhebt, lautet: Jede Aktion und Bewegung soll ihren Anfang und ihr Ende im Bild haben. Das bedeutet: Ein Faustschlag wird nicht in der Bewegung angeschnitten und weggeschnitten, sondern vollständig gezeigt, inklusive Ausholen, Treffmoment und Reaktion. Dadurch erhält jede Aktion Gewicht und Bedeutung. Für das Publikum wird sichtbar, was genau passiert, wer getroffen wird, warum die Figur zu Boden geht oder sich verteidigt. Die Action bleibt dadurch nachvollziehbar und nicht bloß „schnell“.

Dieses Prinzip betrifft nicht nur die Kamera, sondern auch den Schnitt. Anstatt hektisch zwischen Perspektiven zu springen, werden Schnitte bei The Raid so gesetzt, dass Bewegungen nicht unterbrochen, sondern ergänzt werden. Oft bleibt die Kamera länger in einer Einstellung, um eine ganze Bewegung zu zeigen oder sie schneidet erst dann, wenn die Blickachse bereits etabliert ist. Das sorgt für einen natürlichen Fluss und ermöglicht dem Zuschauer Orientierung.

Orientierung trotz Bewegung

Besonders faszinierend ist, wie es dem Film gelingt, auch in sehr chaotischen Momenten Übersicht zu bewahren. Lancelloti spricht hier von “Frame Clarity”: Die Kamera verliert nie den Überblick. Sie lässt den Zuschauer wissen, wo die Figuren sind, wie sie sich bewegen, und welche Richtung die Aktion nimmt. Auch wenn Gegner von mehreren Seiten angreifen oder durch enge Räume gehetzt wird, bleibt immer erkennbar, wer sich wo befindet.

Diese Klarheit entsteht nicht zufällig. Sie ist das Ergebnis präziser Blocking- und Kameraplanung. Bewegung wird im Vorfeld so choreografiert, dass die Kamera ihre Position mit Bedeutung wählt – sei es als beobachtender Dritter oder als körperlich mitbewegte Instanz. Es gibt dabei keine künstliche Überästhetisierung – die Action wird nicht schöner gemacht, sondern verständliche.

Was ich für meine Arbeit mitnehme

Für mein Semesterprojekt, in dem ich selbst choreografierte Actionszenen filme, ist dieser Abschnitt aus Lancellotis Analyse besonders lehrreich. Vor allem drei Dinge nehme ich mir konkret mit:

Rhythmus durch Aktion, nicht durch Schnitt. Das Tempo der Szene entsteht durch das Spiel und die Bewegung der Darsteller*innen – nicht durch schnelle Schnittfolgen. Das Storyboard wird daher stark auf Timing und Blickführung ausgerichtet.

Bewegung muss lesbar sein. Ich werde darauf achten, dass Schläge, Ausweichbewegungen und Reaktionen im Bild bleiben – von Anfang bis Ende. Schnitte sollen nicht verdecken, sondern unterstützen.

Kamerabewegung braucht einen Zweck. Jede Fahrt, jeder Schwenk muss wissen, wohin sie führt. Ich möchte gezielt planen, wann die Kamera folgt, wann sie beobachtet und wann sie Position hält.

The Raid beweist, dass visuelle Klarheit in Actionszenen keine Selbstverständlichkeit ist, sondern ein handwerkliches Muss. Lancellotis Analyse zeigt, wie wichtig es ist, Bewegung nicht nur zu zeigen, sondern verständlich zu gestalten. Wer Action filmen will, muss lernen, wie man Action lesbar macht.

#3 Fernöstliche Choreografien: ein Spiel zwischen Kameraästhetik und Kampfkunst

Während westliche Actionfilme in der Darstellung von Gewalt und Bewegung oft auf Tempo, Wucht und Schnittintensität setzen, verfolgen asiatische Martial-Arts-Produktionen seit Jahrzehnten eine völlig andere Strategie. Was in Hollywood häufig als reines Spektakel präsentiert wird, ist in Filmen aus China, Japan oder Südostasien tief verwoben mit Geschichte, Philosophie und kultureller Identität. Die Kampfkunst steht hier nicht nur für physische Auseinandersetzung, sie ist Trägerin von Traditionen, Werten und künstlerischem Ausdruck, was wiederum auch auf die Kamera- und Schnittarbeit Einfluss hat.

In diesem Beitrag möchte ich die filmische Inszenierung von asiatischen Martial-Arts-Szenen mit westlichen Action-Inszenierungen vergleichen und analysieren, was wir aus dieser Gegenüberstellung lernen können, gerade im Hinblick auf Kameraarbeit, Shotdauer und choreografischen Anspruch.

Kampfkunst als kulturelles Narrativ

Kampfkünste wie Wushu, Karate, Taekwondo oder Silat sind im asiatischen Raum nicht nur als Sportarten verankert, sondern als lebendiges Kulturerbe. In Ländern wie China oder Japan sind sie eng mit spirituellen, philosophischen und historischen Weltbildern verknüpft. Filmische Adaptionen dieser Traditionen sind daher oft mehr als bloßes Actionkino, sie sind visuelle Hommagen an jahrhundertealte Praktiken. Filme wie Crouching Tiger, Hidden Dragon (2000), Hero (2002) oder Fearless (2006) inszenieren Kampf nicht als brutalen Konflikt, sondern als kunstvolles Spiel mit Raum, Rhythmus und Bedeutung. Dabei wird nicht nur der Kampf selbst gezeigt, auch die Körperbeherrschung, die Präzision und die Ästhetik der Bewegung stehen im Fokus.

Längere Einstellungen und Slow-Motion

Was besonders auffällt: Im Gegensatz zum westlichen Kino setzen asiatische Martial-Arts-Filme häufig auf lange Einstellungen, in denen die Choreografie klar und vollständig sichtbar bleibt. Schnitte werden reduziert, nicht aus dramaturgischer Schwäche, sondern aus Respekt gegenüber der Bewegung. Die Kamera hält inne, beobachtet – und lässt dem Können der Darsteller*innen Raum zur Entfaltung.

Gerade in Szenen aus Ip Man (2008) oder dem klassischen Drunken Master (1978) mit Jackie Chan wird deutlich, wie bewusst Regie und Kameraarbeit darauf ausgerichtet sind, Technik sichtbar zu machen. Dabei kommt nicht selten Slow-Motion zum Einsatz, nicht als Effekt, sondern als stilistisches Mittel, um komplexe Bewegungen zu verlangsamen und ihre Qualität hervorzuheben1. Schlagkombinationen, Ausweichbewegungen, Körperrotationen – alles wird lesbar, greifbar und wertgeschätzt.

Ein zentrales Gestaltungsmittel ist dabei auch die bewusste Wahl der Einstellungsgröße: Totale und Halbtotale sind häufig, Close-Ups hingegen selten. Der ganze Körper soll sichtbar sein, denn schließlich ist die Bewegung als Ganzes die eigentliche Aussage.

Vergleich zum westlichen Kino

Dem gegenüber stehen viele westliche Actionfilme, in denen Kampf hauptsächlich als funktionales Mittel zum Spannungsaufbau dient. Bewegungsabläufe werden oft in kurzen, zerschnittenen Einstellungen gezeigt, häufig in Nahaufnahme und mit hektischer Kameraführung, um Dynamik zu simulieren. Dies führt zwar zu hoher Energie im Bild, lässt jedoch technische Präzision und choreografisches Verständnis oft vermissen. Nicht selten wird so der fehlende Kampfsport-Hintergrund der Darsteller*innen kaschiert. Die Kamera springt, die Schnitte verdecken Unsauberkeiten, das Sounddesign übernimmt die Wirkung. In vielen Fällen sind es die Stunt-Performer*innen, die den Kampf tragen, während Schauspieler*innen nur in wenigen Momenten direkt im Frame agieren.

Ein Paradebeispiel für diesen Unterschied liefert der Vergleich zwischen Crouching Tiger, Hidden Dragon2 und einem westlichen Actionfilm wie Taken3. Während bei Crouching Tiger, Hidden Dragon die Kampfchoreografien regelmäßig über viele Sekunden aus eine Einstellung zu sehen ist und den beeindruckenden Grad an Erfahrung zur Geltung bringt, wird in Taken der Nahkampf in etlichen Mikroshots zerstückelt – was zwar Adrenalin erzeugt, aber oft wenig Einblick in Technik oder Raum gibt.

Was ich aus asiatischen Martial-Arts-Filmen mitnehme

Der asiatische Zugang zeigt: Eine Kamera muss nicht immer mittendrin sein, sie darf auch beobachten, würdigen, sich zurücknehmen. Gerade wenn ich an bewaffneten Choreografien arbeite, ist es essenziell, dass das Bild den Bewegungen Platz gibt, um nicht nur die Action, sondern auch die genaue Bewegung zu zeigen.

Ich möchte daher im Schnitt versuchen, bewusst mit längeren Takes und übersichtlichen Einstellungsgrößen (sollte der Drehort es zulassen) zu arbeiten, um Technik und Timing sichtbar zu machen. Mein Ziel ist nicht, Action zu verschleiern, sondern sie verständlich und nachvollziehbar zu erzählen.

Kampfkunst ist mehr als Action. Sie ist Ausdruck, Disziplin und Teil eines kulturelles Erbes. Asiatische Martial-Arts-Filme zeigen, wie sich filmische Gestaltung diesem Anspruch unterordnen kann, ohne an Spannung zu verlieren. Im Gegenteil: Durch Klarheit, Rhythmus und Respekt gegenüber der Bewegung entsteht eine filmische Kraft, die weit über bloße Action hinausgeht.

Für mich ist dieser Zugang ein Vorbild zur bewussten Auseinandersetzung mit Kamera, Schnitt und Bildgestaltung, denn nur wer die Bewegung und deren Ziel versteht, kann sie auch richtig filmen.

  1. Drunken Master | Final Fight Freddy Wong VS. “Thunderleg” ↩︎
  2. Crouching Tiger, Hidden Dragon: Jen vs. Shu Lien Sword Fight ↩︎
  3. Taken Movie: Liam Neeson | I Told You I Would Find You ↩︎

#2 Kamera und Schnitt in der Duellszene aus The King (2019)

David Michôds Film The King (2019) wurde bereits vergangenes Semester auf historische Akkuratesse analysiert, doch stach er nicht nur hierbei positiv heraus, sondern auch durch die visuelle Umsetzung und das Storytelling des Gefechts zwischen Prinz Henry und Hotspur. Gerade weil dieses Duell dramaturgisch heraussticht, möchte ich ihm erneut Aufmerksamkeit schenken und einen weiteren Blick darauf werfen.

Im Fokus dieser Analyse stehen Kameraarbeit, Schnitt und die visuelle Lesbarkeit der Szene, angelehnt an die Fragestellungen meines ersten Blogposts: Welche Einstellungen dominieren? Wie wird Bewegung im Bild begleitet? Und welche Wirkung entfaltet der Schnitt?

Eine genaue Auflistung der Shots samt Länge der analysierten Szene steht hier zur Verfügung:

Aufbau der Szene

Die Szene beginnt mit einem langsamen Spannungsaufbau und ruhigen, fast statischen Bildern. Sowohl Henry als auch Hotspur treten in voller Rüstung aufeinander zu. Die Kamera bleibt anfangs distanziert, zeigt beide Männer aus der Halbtotale oder Halbnahe, oft in symmetrischer Komposition. Schon hier ist zu erkennen: Diese Szene verzichtet bewusst auf visuelle Hektik.

Besonders auffällig ist die Länge einzelner Einstellungen. Selbst beim ersten Schlagabtausch bleibt die Kamera länger auf einer Achse und begleitet die Bewegungen ohne Hektik. Die Fokussierung liegt klar auf dem Körperausdruck der Kontrahenten.

Schnittführung mit Respekt vor der Bewegung

Ein zentrales Element der Duellszene ist die Kohärenz zwischen Bewegung und Schnitt. Die einzelnen Angriffe, Blocks und Umkreisungen werden nicht durch hastige Schnitte zerstückelt, sondern meist in vollständigen Abläufen gezeigt. Die Kamera bleibt dabei ruhig und schwenkt falls nötig mit, was dem Ganzen eine fast dokumentarische Nüchternheit verleiht.

Insgesamt bleibt der Schnitt in der Szene zurückhaltend, was die Wirkung des eigentlichen Duells steigert.

Einstellungsgrößen und Orientierung

In der gesamten Szene werden bevorzugt mittlere Einstellungsgrößen verwendet, vor allem Amerikanisch, Halbtotalen und Nahen. Diese Wahl ermöglicht es generell, sowohl Waffenkontakt als auch Mimik (wären die Vidiere nicht vorgezogen) zu zeigen, ohne je ins Wirre abzurutschen. Auch der Raum bleibt durchgehend übersichtlich: Der Schauplatz ist klar strukturiert, mit einer zusehenden Reihe an Soldaten als stabiler Orientierungspunkt und wenig Tiefe. Die Kamera nutzt diesen Raum effektiv, bleibt dabei aber stets auf Augenhöhe mit den Kontrahenten.

Was ich daraus für meine eigenes Projektmitnehme

Die bewusste Wahl der Einstellungsgrößen: Es lohnt sich, Bewegungen in ihrer Ganzheit sichtbar zu machen – und dabei weder auf Distanz zu gehen noch in die Unschärfe zu geraten

Die Reduktion auf das Wesentliche: Keine übertriebene Kameraarbeit, keine reißerischen Schnitte, kein Zuviel an Technik. Stattdessen ruhige Bilder, klare Bewegungen und Konzentration auf Timing und Körpergefühl.

#1 Actionszenen filmisch gedacht: Eine Einführung in Einstellungsgrößen, Shotdauer und Bewegung

Egal ob rasante Verfolgungsjagden oder intensive Duelle mit gezogenen Klingen, Actionszenen gehören zu den technisch aufwendigsten und visuell eindrucksvollsten Momenten eines Films. Was auf der Leinwand als dynamische, oftmals chaotisch wirkende Abfolge von Bewegungen erscheint, ist in Wahrheit das Ergebnis genauester Planung, präziser Choreografie und anspruchsvoller Technik. Während häufig über die Stuntkoordination und Kampfkunst der Darsteller*innen gesprochen wird, bleibt die Kameraarbeit jedoch oft unbeachtet und genau diesem Aspekt widme ich mich in meiner Blogreihe.

Warum Actionszenen besondere filmische Anforderungen stellen

Anders als in dialogreichen Szenen, in denen Schnitte oft dem Sprachfluss oder der Emotion folgen, erfordern Actionszenen ein deutlich komplexeres Zusammenspiel aus Timing, räumlicher Orientierung und rhythmischer Schnittführung. Ziel ist es, ein Gefühl von Tempo und Intensität zu erzeugen, ohne dabei die Übersicht zu verlieren (es sei denn genau dies ist gewollt). Das Publikum soll in den Bann gezogen werden, aber stets den Glauben behalten zu wissen, was gerade passiert.

Um das zu erreichen, wird auf eine Vielzahl an gestalterischen Mitteln zurückgegriffen: die Auswahl von Einstellungsgrößen, die Dauer der einzelnen Shots, die Kameraperspektive, aber auch die Frage, ob eine Szene statisch oder mit bewegter Kamera eingefangen wird, sind dabei zentrale Elemente. Diese Parameter haben maßgeblichen Einfluss auf die Wirkung und Lesbarkeit einer Szene.

Shotlängen

In der Analyse zahlreicher Actionszenen zeigt sich: die durchschnittliche Shotlänge sinkt signifikant mit steigender Actionintensität. Während Dialogszenen oft mit Einstellungen zwischen 5–10 Sekunden auskommen, liegen Actionszenen meist im Bereich von 1–3 Sekunden pro Schnitt, teils sogar noch kürzer. Dies erzeugt Tempo und treibt den Puls nach oben, allerdings birgt diese Fragmentierung auch Gefahren mit sich, denn wenn Schnitte zu hektisch gesetzt werden oder die Kameraarbeit unsauber ist, leidet die Orientierung innerhalb der Szene darunter. Berühmte Negativbeispiele wie Taken 3 (2014) zeigen, wie eine überladene Schnittfrequenz die Glaubwürdigkeit einer Szene untergraben kann.

Dem gegenüber stehen Filme wie Children of Men (2006) oder The Revenant (2015), die mit längeren Plansequenzen arbeiten und Action mit einem fast dokumentarischen Realismus inszenieren. Diese Herangehensweise erfordert eine ausgeklügelte Kameraführung und ein präzises Timing aller Beteiligten, belohnt das Publikum aber mit einer immersiven Intensität.

Einstellungsgrößen

Auch die Wahl der Einstellungsgröße spielt eine entscheidende Rolle. Totale und Halbtotale kommen vor allem zu Beginn einer Szene zum Einsatz, um dem Publikum räumliche Orientierung zu geben. Sie etablieren, wo sich die Figuren befinden und wie das Setting aussieht. In der eigentlichen Kampfhandlung dominiert dann häufig die Amerikanische oder die Halbnahe, da sie ein gutes Verhältnis zwischen Körperbewegung und emotionalem Ausdruck erlaubt.

Extreme Close-Ups oder schnelle Kamerazooms finden in modernen Actionfilmen vor allem als stilistisches Mittel Verwendung, etwa um Schmerz oder Überraschung zu vermitteln. Klassische Martial-Arts-Filme hingegen bevorzugen eher die Totale, um Platz für Kampftechnik als choreografisches Spektakel zu schaffen, welche in ihrer Ganzheit erkennbar bleiben soll. Es geht hierbei nicht nur um Wirkung, sondern auch um Lesbarkeit. Hierzu wird in folgenden Blogs näher ins Detail gegangen.

Statische vs. bewegte Kamera

Eine weitere wichtige Unterscheidung betrifft die Bewegung der Kamera selbst. Statische Einstellungen bieten klare Orientierung und eignen sich gut für choreografisch anspruchsvolle Szenen, in denen der Fokus auf Technik und Timing liegt. Bewegte Kameras, sei es per Steadicam, Dolly oder Handkamera, erzeugen dagegen Unmittelbarkeit und Dynamik, können aber schnell zu einem visuellen Overload führen, wenn sie nicht gut kontrolliert sind.

Moderne Produktionen setzen zunehmend auf hybride Lösungen: Die Kamera folgt den Kämpfenden agil durch den Raum (Tracking), bleibt dabei aber bewusst an bestimmten Achsen oder Blickrichtungen orientiert. Dadurch entsteht das Gefühl von Bewegung, ohne die Szene unübersichtlich wirken zu lassen.

Vom Wissen zur Praxis – Mein Semesterprojekt

Diese Erkenntnisse bleiben im Rahmen dieses Semesters nicht nur theoretisch. Ziel meines Projekts ist es, eine choreografierte Actionszene selbst zu konzipieren, filmisch umzusetzen und alle Stationen des Prozesses zu dokumentieren. Von der ersten Idee, über das Location Scouting, das Festlegen der Kampfdynamik, die Wahl von Kamera, Objektiv und Licht bis hin zur praktischen Umsetzung am Drehtag. Die Entscheidungen sollen so gut wie möglich begründet und reflektiert werden.

Zudem wird ein besonderes Augenmerk auf die Storyboard-Phase gelegt: Wie übersetze ich Bewegungsabläufe in planbare Shots? Wie entwickle ich eine visuelle Dramaturgie, die nicht nur die Choreografie unterstützt, sondern auch die Spannung im Bildaufbau steigert? Die finale(n) Szene(n) wird anschließend geschnitten und analysiert – im Hinblick auf Shotdauer, Einstellungsgrößen und die menge an Bewegung.

Für mich, die bis dahin kameratechnisch hauptsächlich im Dokumentarfilm und statisch bei diversen Sport-Liveproduktionen Erfahrung sammeln konnte, wird dieses Semesterprojekt nicht nur eine technische Übung, sondern ein erster Versuch, das Unsichtbare sichtbar zu machen: die Kunst, durch das Auge der Kamera eine Kampfhandlung nicht nur aufzunehmen, sondern im Idealfall filmisch zu erzählen und verständlich zu machen.

Zur Grammatik- und Rechtschreibüberprüfung wurde ChatGPT herangezogen.