Verzerrungen und unrealistische Bewegungen in Animation


Verzerrungen? Warum wie was?

Ein häufiges Problem bei Animationen – vor allem in der Charakter-Animation – ist es, dass Bewegungen nicht flüssig genug erscheinen. Woran liegt das? Bei der Analyse von Live-Action-Filmen fällt einem dann vielleicht auf, dass es bei schnellen Kopfbewegungen zu einem “Unschärfe-Effekt” kommen kann – sogenanntem Motion Blur. (Vgl. Deja 2018)

Grumpy by Bill Tytla.

In der traditionellen Animation von beispielsweise Disney – die meist mit scharfen Konturen und flächigen Farben arbeiten – würden die Animationen ohne Verzerrungen steif wirken, weshalb, wie im Bild oben (aus einer Szene mit Grumpy, die von Bill Tytla animiert wurde) die grenzen der Verzerrung ausgetestet wurden um die Bewegungen fließend erscheinen zu lassen. Wichtig ist dass diese Verzerrungen nicht von den Zuschauer:innen als solche wahrgenommen werden, weshalb sie nur einen einzelnen Frame lang sein dürfen.Wäre die Verzerrung für zwei Frames sichtbar, würde die Illusion zerstört werden. (Vgl. Deja 2018)

Bewegungsverzerrung (Motion Blur)

Manch eine:r kennz den Motion-Blur Button in Aftereffects oder Premiere. Motion Blur, zu deutsch Bewegungsunschärfe, ist ein visuelles Phänomen, dass dann aufkommt, wenn sich Objekte schneller bewegen, als das Auge oder die Kamera erfassen kann – also wenn sich ein Objekt während der Belichtungszeit bewegt. In der Animation – welche aus statischen Bildern besteht – fehlt diese natürliche Unschärfe, wenn man sie nicht bewusst künstlich hinzufügt, um die Realität zu simulieren. (Vgl. Autodesk o.D.)
Mit moderne Hard- und Software ware ist es möglich, „per-Pixel- oder per-Objekt-Unschärfe“ auf einzelne Elemente anzuwenden. Die Entwicklung im Bereich KI könnte diesen Prozess weiter automatisieren. (Vgl. Autodesk o.D.)

Vorteile der Bewegungsunschärfe

  1. Realitätsnähe: Motion Blur passt deine animierte Szenen besser an die natürliche Wahrnehmung des Menschen an.(Vgl. Autodesk o.D.)
  2. Vermeidung von Ruckeln: Ohne Unschärfe wie dem Motion Blur wirken Übergänge zwischen Frames abrupt und unnatürlich – so wird die Animation flüssiger (Vgl. Autodesk o.D.)
  3. Fokussierung: Unschärfe wird gezielt genutzt, um die Aufmerksamkeit auf bestimmte Stellen zu lenken und andere abzudecken oder davon abzulenken. (Vgl. Autodesk o.D.)

Animationsprinzipien:

Ein paar Arten der Verzerrung haben wir in diesen Blogbeiträgen schon kennengelernt, nämlich im Rahmen der Animationsprinzipien!
Kurz zur Wiederholung – und im Sinne der vollständigen – jene Prinzipien in denen Verzerrung am deutlichsten angewendet wird:
Squash and Stretch: Hier werden Bewegungen durch Dehnen und Strecken dargestellt, um Gewicht und Flexibilität darzustellen – z.B. ein Charakter springt, wird beim Aufprall zusammengedrückt und dann gedehnt. (Vgl Adobe o.D.)

Exaggeration: Die Übertreibung verstärkt die Bewegungen über das Realistische hinaus und erzeugt humorvolle oder dramatische Effekte – z.B. ein extrem dehnbarer Arm bei einem schnellen Schlag. (Vgl Adobe o.D.) Auch bei Bewegungen und Verzerrungen wie oben besprochen gilt ein bisschen Übertreibung als wichtig, um die Bewegungsunschärfe zu ersetzen.

Arcs (Bögen): Laut den Animationsprinzipien folgen viele unserer Bewegungen unsichtbaren Bögen – im Sinne von Bewegung darf man diese zur Verzerrung nutzen und sogar brechen, um den Effekt zu unterstreichen. (Vgl Adobe o.D.)

Im Zuge der Übertreibung möchte ich noch einmal näher auf physikalisch unmögliche Bewegungen eingehen
In der Animation werden oft Bewegungen gezeigt, die physikalisch nicht möglich sind. Diese „unmöglichen“ Bewegungen sind in der Regel übertrieben oder verzerrt, um eine emotionale oder visuelle Wirkung zu erzielen. Es wird genutzt um durch die übertriebene Darstellung Humor und Dramatik zu erzeugen.Hier lässt sich die Begründung beispielsweise wieder im Animationsprinzip der Übertreibung finden. (Vgl Adobe o.D.)

Quelle: Disney Pocahontas, https://www.youtube.com/watch?v=MuqDDwvlW1s

Betrachtet man Disney Animationen fällt diese Übertreibung auch auf, indem die Figuren sich offensichtlich unnatürlich bewege und auffällige Bewegungen vollziehen. Diese Bewegungen brechen bewusst die Physik um den Eindruck von Energie und Dynamik zu vermitteln. (Vgl. Adobe o.D.)


WB Kids Looney Tuesdays, https://www.youtube.com/watch?v=LD2t-xk-gwM

Eine „alte“ oder auch alternative Form des Motion Blurs sind Smear Frames:
Smear Frames

Smear Frames sind ein Stilmittel, um schnelle und dynamische Bewegungen in der Animationen darzustellen. Ein Smear Frame ist ein einzelner Frame, der Bewegung durch eine Übertreibung oder Verzerrung eines Elements unterstreicht. Die Beispiele zeigen wie sich ein Charakter innerhalb eines Frames verzerrt, was den Zuschauer:innen unbewusst dabei hilft, die Bewegung wahrzunehmen. (Vgl. Dupre 2024)

Quelle: Looney Tuesdays, https://www.youtube.com/watch?v=LD2t-xk-gwM, Die Simpsons


Der häufigste Einsatz von Smear Frames ist die Simulation von Bewegungsunschärfe, die mit der Kamera aufgenommen wird, wenn schnelle Bewegungen eingefangen werden – also ein Motion Blur (Vgl. Dupre 2024)

Warum Animator:innen Smear Frames verwenden

Quelle: Spider-Man Into the Spider-Verse

 Smear Frames kommen ursprünglich aus der traditionellen 2D-Animation, sind aber auch in anderen Animationsarten weit verbreitet, wie z.B. in der 3D-Animation. Ein besonderes Beispiel ist Spider-Man: Into the Spider-Verse, denn hier verwendetenAnimator:innen Smear Frames besonders deutlich, um das Comic-Gefühl zu imitieren. Smear Frames betonen den Bewegungsweg eines Objekts und sorgen für flüssige Übergänge zwischen Szenen, Posen oder Aktionen. (Vgl. Dupre 2024)

Es gibt zwei Haupttechniken für Smear Frames nach Dupre

Multiple Smears: Hierbei wird das Subjekt entlang seiner Bewegungsbahn dupliziert und leicht unscharf gemacht, um eine schnelle Bewegung zu simulieren, siehe Looney Tunes.
– Elongierte Zwischenbilder: Dabei wird das Element in einem oder zwei Frames überdehnt, um die Bewegung zwischen zwei Key-Posen zu verdeutlichen, siehe Naruto.

Quelle: Naruto; Looney Tuesdays;


Die Technik von Smear Frames wird allerdings immer seltener, da verschiedene Programme inzwischen automatisch Motion-Blur nachahmen können. Neuere Animationsproduktionen, wie bei Spider-Man: Into the Spider-Verse, nutzen Smear Frames, um einen „Retro-Look“ nachzuahmen. (Vgl. Dupre 2024)

Quellen:

Adobe o.D.
Adobe (o.D): Die 12 Prinzipien der Animation. In: Adobe/Animation/Discover, https://www.adobe.com/de/creativecloud/animation/discover/principles-of-animation.html (zuletzt aufgerufen am 17.11.2024)

Dupre 2024
Dupré, Gwénaëlle (16.12.2024): Mastering Motion: How Smear Frames Enhance Animation. In: CG Wire, https://blog.cg-wire.com/smear-frames/ (zuletzt aufgerufen am 06.01.2025)

Deja 2018
Deja, Andreas (09.09.2018): Distortions. In: Deja View, https://andreasdeja.blogspot.com/2018/09/distortions.html (zuletzt aufgerufen am 06.01.2025)

Thomas/Johnston 1981
Thomas, Frank/Johnston, Ollie: The Illusion of Life. Disney Animation. New York: Abbeville Press 1981

Autodesk o.D.
Autodesk (o.D.): Motion blur. Add a dose of reality to film, TV, and games. In: autodesk.com, https://www.autodesk.com/solutions/motion-blur (zuletzt aufgerufen am 06.01.2025)

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