Um über Übersättigung und Überladung zu sprechen kommt man wohl nicht darum herum, auch den Begriff des Minimalismus zu benutzen. Denn so scheint alles was für Minimalismus spricht das ideale Gegenargument für Übersättigung zu sein. In der Recherche musste ich etwas ausholen um zu jenen Arbeiten, Studien und Informationen zu kommen, die nötig sind um das Thema fundierter zu behandeln.
Übersättigung und visuelle Überladung in der Animation wir in diesem Kapitel von zwei Seiten betrachtet: Überladung bezogen auf die visuelle Komposition und bezogen auf die Ebene der Bewegung in der Animation (over-animation). Außen vorgelassen wird eine allgemeine, narrative Überladung durch eine zu hohe Informationsdichte.
Wann ist etwas Überladen? Ist das subjektiv?
Was ist Überladung, wann ist etwas überladen und ist all das nicht subjektiv?
Ich möchte visuelle Überlastung aus der Perspektive der Cognitive Load Theory von Paul Chandler &John Sweller betrachten.
In der Cognitive Load Theory wird in 3 Gedächtnisarten unterschieden:
– Das Sensorisches Gedächtnis, welches Umgebungsinformationen behandelt
– Das Arbeitsgedächtnis, welches 5-9 Informationsstücke gleichzeitig verarbeitet und entscheidet, ob diese verworfen oder in das Langzeitgedächtnis übertragen werden.
Und das Langzeitgedächtnis, welches Informationen in sogenannten Schemas organisiert und strukturiert. (Vgl. Medical College of Wisconsin 2022)
Als Cognitive Load bezeichnet man die Menge an Informationen, die das Arbeitsgedächtnis zu einem Zeitpunkt verarbeiten kann. Das Ziel bei Informationsvermittlung ist es, eine Überlastung zu vermeiden, damit Informationen effektiv ins Langzeitgedächtnis übertragen werden können. (Vgl. Medical College of Wisconsin 2022)
Arten der kognitiven Belastung
Es gibt verschiedene Arten der kognitiven Belastung.
- Intrinsische Belastung:
Diese Belastung hängt von der inhärenten Schwierigkeit des zu lernenden Materials ab, bzw. umgelegt auf Animationen von der Schwierigkeit der vermittelten Information ab. Die Präsentation bzw der Stil der Arbeit hat darauf keinen Einfluss. - Extrinsische Belastung:
Extrinsische Belastungen Wiederrum beziehen sich spezifisch auf die Art der Informationspräsentation. Diese Belastung kann durch Design und Methodik optimiert werden um das Verstehen zu erleichtern. - Germane Belastung:
Die Germane Belastung bezieht sich auf den Aufwand, die Informationen zu verarbeiten und in Langzeitgedächtnis zu integrieren. Diese Belastung ist produktiv und wünschenswert.
(Vgl. Medical College of Wisconsin 2022)
Was ist dann eine kognitive Überlastung? Diese tritt auf, wenn die Summe aus intrinsischer, extrinsischer und germane Belastung die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses übersteigt.
Wie kann man dieser Überlastung entgegen wirken?
- Balance und Reduktion von extrinsischer Belastung:
Wenn die Informationen visuell und auditiv kohärent präsentiert werden hilft das dabei, die extrinsische Belastung zu minimieren - Das Sensorische Gedächtnis kann entlastet werden indem Ablenkungen wie unnötige Geräusche oder überflüssige visuelle Details vermieden werden.
- Es muss eine Balance zwischen den verschiedenen Arten der Belastung bestehen, beispielsweise je schwieriger die Inhalte oder das zu vermittelnde Material ist, desto weniger sollte man die Betrachter:innen extrinisch belasten – es gilt also eine minimalistische, reduzierte Aufarbeitung des Themas zu schaffen. SO kann effektiv Kommuniziert werden.
Was kann man hier als bedeutend für Animation und visuelle Gestaltung ableiten?
Das Verständnis von Cognitive Load Theory ist für die Animation entscheidend, um visuelle Überladung zu vermeiden und effektive Kommunikation sicherzustellen.
Es gibt auch diverse Design Prinzipien die zur Reduktion der kognitiven Belastung genutzt werden können.
Anhand von Webdeisgn erläutert Jon Yablonski verschiedene Methoden um die Belastung zu optimieren. Die Hauptursachen für eine cognitive Overload beschreibt er zu viele Möglichkeiten, zu viel „Mitdenken verlangen“ und zu wenig Klarheit. Seine Prinzipien lassen sich auch auf Animationen umlegen, wie in den folgenden Absätzen aufgearbeitet:
1. Unnötige Elemente vermeiden
Ein Design oder auch eine Animationen sollten keine überflüssigen visuellen Reizen beinhalten. All jene Elemente, die nicht direkt zur Erzählung oder zum Verständnis der Animation beitragen, erhöhen die kognitive Belastung, da sie verarbeitet werden müssen, weshalb es diese zu minimieren gilt. (Vgl.Yablonski 2015) Das kann beispielsweise übermäßig viele Farben, unnötige Bewegungen oder redundante visuelle Details betreffen.
2. Vertraute Muster nutzen
Wie bei Designs im Print und Web ist es auch in der Animation von Vorteil, bekannte Stilmittel und Elemente anzuwenden und zu wiederholen. Wenn die Zuschauer:innen Elemente in der Animation wiedererkennen, benötigen sie weniger Energie, um deren Funktion oder Bedeutung zu entschlüsseln. (Vgl. Yablonski 2015) Beispielsweise lassen sich sowohl narrativ als auch visuell die Strukturen und Rollen in der Animation besser erkennen.
3. Lesbarkeit fördern
In Animationen kann Lesbarkeit auf die Klarheit visueller Informationenbezogen werden, wie Typografie oder Farbwahl. Eine eindeutige visuelle Hierarchie und eine ästhetisch ansprechende Gestaltung lenken den Fokus, erleichtern das Verständnis und verhindern Ablenkungen. (Vgl. Yablonski 2015).
5. Vorsichtiger Einsatz von Symbolik
Komplexe oder abstrakte visuelle Metaphern in der Animation können Betrachter:innen ähnlich wie Icons im Webdesign kognitiv überfordern, da sie zusätzliche Verarbeitung und Verständnis erfordern. Das Phänomen lässt sich auch auf Social Media erkennen, denn scheint etwas verwirrend, unklar oder zu komplex wird sofort zum nächsten Video weiter geklickt. Symbolik sollten daher klar und mit begleitenden Erklärungen oder Kontext eingesetzt werden (Vgl. Yablonski 2015).
Visuelle Komposition
Angewendet werden diese Prinzipien beispielsweise auch im „Minimalist Cinema“
Den Minimalismus im Film baut seine Emotionalität und Wirkung durch simplen Szenen, Wiederholungen und Reduktion auf. Kennzeichen dafür sind lange Takes, minimaler Dialog. Bekannte Filmdirektoren im Minimalist Cinema sind beispielsweise Andrei Tarkovsky, Yasujiro Ozu, and Chantal Akerman, denn ihre Filme entschleunigen die Zeit und schaffen Raum um sich tiefern mit den gezeigten Themen auseinander zu setzen. (Douglas C. Youvan 2024)
Um visuelle Überlastung (und damit auch eine kognitive Überlastungen) in der Animationen zu vermeiden, müssen Designer:innen und Animator:innen die kognitive Belastung ihrer Zuschauer:innen berücksichtigen. Sie müssen Inhalte so zu gestalten, dass sie einfach zu erkennen, zu verarbeiten und intuitiv verständlich sind. Die Botschaft einer Animation kann klar und effektiv vermittelt werden, indem unnötiger Elemente reduziert werden, vertrauter Muster eingesetzt werden und klarer Hierachien unterstützt werden. (Vgl. Yablonski 2015).
Over Animating: Überlastung durch zu viel Animation/Bewegung
„Überanimation“ oder im Englischen „Over animating“ ist ein häufiges Problem in der Animation. Dabei handelt es sich um überflüssige Bewegungen, die den Zweck der Animation verwässern. Oft tritt dieses Phänomen auf, wenn Animator:innen nach Perfektion streben und deshalb unnötige Details hinzufügen. Ironischerweise wird dadurch das Ziel die Szene realistischer oder emotional ansprechender zu gestalten, oft verfehlt (Vgl. Businessofanimation o.D.).
Wie verhindere ich es, Opfer dieser Überanimation zu werden?
1. Beschränke Bewegungen auf das Wesentliche: Ähnlich wie in der visuellen Komposition gilt: Weniger ist mehr! Es ist nicht nötig, dass jede Figur oder jedes Objekt sich ständig bewegt. Beispielsweise in Dialogszenen können wenige, aber dafür durchdachte Bewegungen die Stimmung und Aussage deutlich effektiver transportieren (Vgl. Businessofanimation o.D.).
2. Realistische Bewegungen als Referenz verwenden
Ein Tipp der auch im Rotoskoping Anwendung findet ist das Erstellen von Referenzvideos mit realen Bewegungen. Dies kann dabei helfen, die Bewegungen natürlicher wirken zu lassen, unnötiges zu vermeiden und der Szene Authentizität verleihen (Vgl. Businessofanimation o.D.).
3. Emotionale Glaubwürdigkeit priorisieren
Charaktere sollten sich so verhalten, wie Menschen in ähnlichen Situationen reagieren würden. Übertriebene Mimik oder Gestik kann den Realismus mindern. Es ist wichtig, den Figuren Zeit zu geben, Emotionen und Reaktionen authentisch zu zeigen (Vgl. Businessofanimation o.D.) Nichtsdestotrotz gilt das Prinzip der Übertreibung nach den Disney-Animatoren Thomas und Johnston: Die Reaktion realitätsnah sein, aber durch eine leichte Abwandlung und Übertreibung Spannung, Klarheit und Verständnis zu erzeugen. Ein breiteres Grinsen, stärkere Tränen oder ein übertrieben offener Mund verstärken den Ausdruck (vgl. Adobe, o. D.; Thomas/Johnston 1981).
4. Schauspieltechniken studieren
Was im Realfilm funktioniert kann sich auch in der animation als nützlich herausstellen: Einblicke in verschiedene Schauspielmethoden können Animator:innen dabei helfen, Bewegungen und Emotionen glaubwürdiger darzustellen. Andere Ressourcen wären auch das Buch “Acting for Animators” von Ed Hooks, welches praktische Tipps bietet, um Charaktere durch ausdrucksstarke Handlungen lebendiger zu gestalten (Vgl. Businessofanimation o.D.).
Fazit: Weniger ist mehr aber nicht an Lust und Liebe für Animation sparen! Wenig ist nicht nichts, denn das Wenige muss gut durchdacht sein 🙂
Quellen:
Medical College of Wisconsin 2022
Medical College of Wisconsin (05.2022): Cognitive Load Theory. A Guide to Applying Cognitive Load Theory to Your Teaching. In: Medical College of Wisconsin, https://www.mcw.edu/ (zuletzt aufgerufen am 04.01.2025)
Jon Yablonski 2015
Yablonski, Jon (30.11.2015): Design Principles for Reducing Cognitive Load. In: Medium, https://blog.prototypr.io/design-principles-for-reducing-cognitive-load-84e82ca61abd#.v5d8iluy0 (zuletzt aufgerufen am 04.01.2025)
Businessofanimation o.D.
Businessofanimation (o.D.): 6 Ways to Avoid Over-Animating Scenes. In: Businessofanimation, https://businessofanimation.com/ways-to-avoid-over-animating-scenes/ (zuletzt aufgerufen am 04.01.2025)
Douglas C. Youvan 2024
Youvan, Douglas C. Youvan (16.10.2024): The Essence of Less. Exploring Abstract and Minimalist Concepts Across Art, Design, Technology, and Philosophy. In: Researchgate, https://www.researchgate.net/profile/Douglas-Youvan (zuletzt aufgerufen am 04.01.2025)
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