Beim schreiben meines Expose’s habe ich mich intensiver mit den Aspekten auseinander gesetzt die ich in der Masterarbeit behandeln möchte und möchte diese in einer etwas ausführlicheren (und deutschen) Version hier im Blog teilen.
Arbeitstitel: Beyond Characters: Alternative Narrative Strategien im Motion Design
Untertitel: „Character – Warum Marken- und Erklärvideos neue narrative Strategien brauchen“
1. Problem (Starting Point, Problem Description)
Character-basierte Erzählweisen dominieren das Motion Design in der Branche, besonders im Bereich der Markenkommunikation und Erklärvideos kleiner und mittelständischer Unternehmen – und das obwohl es zunehmend komplexere, abstraktere oder systembasierte Kommunikationsziele werden. Dennoch fordern viele Unternehmen weiterhin klassische Erklärfilme und Videos mit Figuren, Maskottchen und Co. Video-Content wird dort häufig entweder als Realfilm oder als Character-basiertes Erklärformat gedacht. Dadurch wissen viele Kund:innen nicht, dass Markenbotschaften auch durch eine starke Motion Identity, durch Motion Graphics, Typografie oder abstrakte visuelle Systeme vermittelt werden können, die ganz ohne Figuren oder „Maskottchen“ auskommen.
Vielen mittelständischen Unternehmen fehlt meinem Ansatz zufolge das Wissen über versch. Ansätze für animierte Markenkommunikation und „Character basierte Erzählweisen“ sind oft das einzige dass sie sich vorstellen können.
Diese eingeschränkte Vorstellung erzeugt mehrere praktische Probleme: Videos, die ihr Publikum nicht wirklich erreichen, dramaturgisch schwache oder vorhersehbare Erzählstrukturen, generische visuelle Ästhetiken (z. B. austauschbare Flat-2D- oder trendige Character-Stile) sowie eine deutliche Reduktion der wahrgenommenen Möglichkeiten von Animation im Branding. In manchen Fällen wird Animation als Medium sogar komplett ausgeschlossen, weil Charaktere als unpassend zur Marke wahrgenommen werden – obwohl eine non-character-basierte Lösung ideal wäre.
Ob meine Vermutung stimmt und was die tatsächlichen Gründe dafür sind, warum Unternehmen so häufig auf Character Animation setzen, wird im Rahmen dieser Arbeit weiter erforscht. Gewohnheit, mangelndes Wissen über alternative Motion-Ansätze oder Trends könnten eben mögliche Faktoren sein. Ein zentraler Teil dieser Arbeit ist daher, diese Entscheidungslogiken besser zu verstehen, die Probleme charakterbasierter Ansätze zu untersuchen und herauszufinden, in welchen Fällen non-character Strategien passendere und effektivere Alternativen bieten.
2. Stand der Forschung
Themenbereiche die ich hier recherchieren möchte sind folgende:
- historische Nutzung von Charakteren in Werbung & Animation
- psychologische Begründungen (Anthropomorphismus, Identifikation)
- Marketing-Mechanismen (Brand Recall, Emotionalisierung)
- kritische Perspektiven (z. B. „Mascot Fatigue“, Kritik an generischen 3D/Flat-Stilen)
- Forschung zu non-character Storytelling, Motion Grammar, Form-based Narratives
Es existiert umfangreiche Forschung zu visuellem Storytelling, Wahrnehmung und Animation allgemein. Autor:innen aus verschiedenen Disziplinen untersuchen, wie visuelle Formen interpretiert werden, wie Bildsequenzen Bedeutung erzeugen und welche Rolle Software und digitale Medien in der heutigen visuellen Kommunikation spielen. Zu der einen oder anderen Quelle kommt im Laufe der nächsten Wochen bestimmt noch ein Blogpost.
Psychologische und kognitive Studien zeigen, dass Menschen selbst einfachen bewegten Formen Intentionalität und Emotion zuschreiben – narrative und emotionale Wirkung ist also keinesfalls auf Figuren beschränkt. Forschung im Bereich Branding und Motion Identity wiederum beleuchtet, wie Bewegung als Teil einer visuellen Markenidentität funktionieren kann.
Dennoch gibt es Forschungslücken, die ich behandeln will
- Eine systematische Analyse, wann Character-basierte Narrative in Branding- und Erklärvideo-Kontexten schwach oder kontraproduktiv sind.
- Bestehende Literatur vergleicht Character-basierte Narrationen kaum direkt mit non-character Systemen wie typografischer, formbasierter oder rhythmischer Kommunikation.
- Konzepte wie „Motion Grammar“ und formbasiertes Storytelling werden selten praxisnah operationalisiert und kaum im Branding-Kontext getestet.
Diese Arbeit knüpft an die vorhandene Forschung an, setzt jedoch einen klaren Fokus auf alternative narrative Strukturen im non-character Motion Design und untersucht deren Potenziale sowie deren Grenzen im direkten Vergleich zu Character-basierten Ansätzen.
Autor:innen und Papers die ich bisher gefunden habe oder die ich noch genauer recherchieren werde:
Arnheim, R. (1974). Art and visual perception: A psychology of the creative eye. University of California Press.
Blazer, L. (2020). Animated storytelling: Simple steps for creating animation and motion graphics (2nd ed.). Peachpit Press. https://permalink.obvsg.at/AC16663659
Kim, J., & Lee, S. (2021). Motion as identity: Exploring dynamic branding in digital media. In Proceedings of the 6th International Conference on Arts, Design and Contemporary Education (ICADCE 2020) (pp. 678–683). Atlantis Press. https://doi.org/10.2991/assehr.k.210106.132
Manovich, L. (2013). Software takes command: Extending the language of new media. Bloomsbury. https://search-fhj.obvsg.at/permalink/f/1a6sh9s/FHJ_alma5114293650004526
Sweet, F. (1999). Frog: Form follows emotion. Thames and Hudson. https://permalink.obvsg.at/AC03426968
Heider and Simmel (1944) animation
+ The perceived intentionality of groups: Author: Paul Bloom Csaba Veres
https://doi.org/10.1016/S0010-0277(99)00014-1
Weitere:
- Scott McCloud (Visual Narration)
- Donald Norman (Emotional Design)
- Barbara Tversky (Cognition / Diagrammatical Thinking)
- Motion Design Theory (Lupton, Betancourt etc.)
3. Forschungsfrage
Hauptfrage:
Wie können Marken- und Erklärvideos im Motion Design mithilfe non-character narrativer Strategien klarer, wirksamer und markenspezifischer kommunizieren als mit klassischen Character-basierten Animationen?
„Unterfragen”:
- In welchen historischen und praktischen Kontexten wurde Character-basierte Animation dominant?
- In welchen Anwendungsfällen zeigt diese Erzählform heute Schwächen (z. B. Redundanz, „Character Fatigue“, fehlender Markenfit)?
- Welche alternativen narrativen Strukturen existieren im non-character Motion Design und wie lassen sie sich systematisch beschreiben?
- Wie wirkt dieselbe Botschaft, wenn sie einmal charakterbasiert und einmal non-character erzählt wird – hinsichtlich Klarheit, Engagement und Markenpassung?
- Welche Rolle spielen Erwartungen, Gewohnheiten und Trendwahrnehmungen von Kund:innen bei der Bevorzugung von Character Animation?
Ich möchte „the rise of character animation“ und „wann/wo/wie character Animation gut eingesetzt funktioniert“ anreißen, aber Fokus darauf legen, raus zu finden „Welche Schwäche Character Animation” hat und vor allem „alternative Strukturen“ zu finden (Forschung zu non-character Storytelling, Motion Grammar, Form-based Narratives) und hier herausfinden welche Ansätze wann/wie/wo gut funktionieren.
4. Hypothese / Zielsetzung
Gedanken: Ich weiß bereits, dass es Bereiche gibt in denen Character-basierte Erzählstrukturen immer noch super funktionieren. Ich will für jene Fälle Alternativen finden, in denen Charcater-Animation schwach ist und hier die Wirksamkeit non-character testen. Am Ende will ich zumindest ein Video in dem Non-character-Animation ein Produkt/service/… zeigt/bewirbt/… und ev. mit einem Character Gegenbeispiel arbeiten.
Hypothese:
Obwohl Character-basiertes Storytelling historisch und psychologisch stark verankert ist, ist es nicht in allen Fällen die wirkungsvollste narrative Methode für zeitgenössische Markenkommunikation und Erklärvideos. In vielen Szenarien können non-character Strategien – basierend auf Typografie, Form, Rhythmus, Motion Systemen und abstrakten visuellen Metaphern – klarer, flexibler und markenspezifischer kommunizieren.
Ziele:
- Identifikation von Fällen, in denen Character Animation narrativ oder ästhetisch schwach ist.
- Erforschung und Systematisierung alternativer non-character narrativer Strategien (z. B. Motion Grammar, formbasiertes Storytelling, systembasierte Kommunikation).
- Produktion eines animierten Vergleichspaars:
- characterbasierte Version
- non-character Motion-Graphics-Version derselben Botschaft
- (Optional) Vergleichende Untersuchung der Wahrnehmung beider Varianten durch Testpersonen.
- Entwicklung eines praxisorientierten Frameworks bzw. Tools zur Kommunikation dieser Ergebnisse gegenüber Kund:innen.
5. Theoriebezug
Die Arbeit stützt sich auf folgende theoretische Ansätze:
- Narratologie & visuelles Storytelling
- Motion Grammar / Bewegung als Bedeutungsträger
- Gestaltprinzipien & kognitive Visualisierungsforschung
- Brand Identity, Dynamic Branding & Motion Identity
- Anthropomorphismus & Intentionalität (selektiv, zur Kontextualisierung)
Die eigene Position ist design-theoretisch mit stark praktischer Ausrichtung: Character Animation ist ein wertvolles Werkzeug, aber derzeit überrepräsentiert. Die Arbeit plädiert für ein erweitertes Verständnis von Storytelling im Motion Design, in dem non-character Systeme als gleichwertige – und oft überlegene – Optionen anerkannt werden.
6. Methode
Die Arbeit nutzt einen Mixed-Methods-Ansatz aus Theorie, Analyse und Praxis:
- Literaturrecherche
- Fallstudien & Vergleichsanalyse (Character vs. Non-Character)
- Experteninterviews (Motion Designer:innen, Brand Strategists)
- Design-Experiment – zwei Versionen derselben Botschaft
- (Optional) User Testing zu Klarheit, Engagement, Emotion und Markenfit
- Synthese & Framework-Entwicklung
Im Detail:
1. Literature review
- Systematic review of literature on visual storytelling, animation, motion design, motion grammar, perception and brand identity
- Identification of existing models that relate motion and narrative structure to communication goals.
2. Case studies / analytical comparison
- Selection of existing brand and explainer videos that use character-based storytelling.
- Selection (or identification) of non-character motion design examples (typography-driven, form-based, system/identity-based).
- Qualitative analysis focusing on clarity of message, aesthetic specificity, narrative structure and perceived brand fit.
3. Expert interviews
- Semi-structured interviews with motion designers, creative directors or brand strategists.
- Topics: reasons for choosing character vs. non-character approaches, perceived strengths and weaknesses, client expectations and real-world constraints.
- Evaluation via thematic coding and synthesis of recurring patterns.
4. Design experiment / practice-based research
- Concept development for a short explainer or brand-related message (e.g. introducing a service or product).
- Creation of two animated versions:
a) a character-based narrative solution,
b) a non-character motion graphics solution (e.g. using typography, forms, rhythm, motion systems and abstract metaphor).
- Potentially also further non-character variations (e.g. typography-only, form-only), depending on scope.
- ALTERNATIVE: Ase an existing character-based narrative and translate it to a non-character motion graphics solution
5. (Optional) User testing / evaluation
- Recruitment of test participants from relevant or mixed target groups.
- Presentation of the different video versions under comparable conditions.
- Data collection via questionnaires and/or short interviews focusing on:
- perceived clarity and understanding of the message
- attention and engagement
- emotional response
- perceived fit with a hypothetical or existing brand
- Qualitative and, where applicable, simple quantitative evaluation (e.g. rating scales).
6. Synthesis and framework development
- Integration of insights from literature, case analysis, expert interviews and user testing.
- Formulation of a set of principles or a framework describing when and how non-character narrative strategies are particularly effective.
- Translation of these findings into a practical “tool” or guideline that can be used in discussions with clients.
7. Material
Vorhandene Materialien:
- Fachliteratur
- Beispiele aus Brand- und Erklärvideo-Praxis
- Animationssoftware
- potenzielle Interviewpartner:innen
Noch zu erheben:
- Fallstudien-Korpus
- Material zu Motion Identity & Motion Grammar
- Teilnehmer:innen für Tests
- Interview- & Testdaten
8. Idee für das Workpiece
Geplant ist eine Serie experimenteller Animationen:
- eine charakterbasierte Version
- eine oder mehrere non-character Versionen derselben Botschaft
- optional: Übersetzung eines bestehenden Character-Videos in eine abstrakte Motion-Lösung
Das Workpiece dient sowohl der Untersuchung als auch als späteres Tool für Kund:innen.
9. Vorläufiger Aufbau
1. Introduction
Background, motivation and relevance of the topic, Research gap and objectivesStructure of the thesis
2. Problem and context: Character dominance in motion design
– Character-based explainer films and brand videos
– Client expectations and common industry practices
– Initial observations from practice
3. Historical and theoretical foundations
– Short history of characters in animation and advertising
– Psychological foundations: anthropomorphism, identification, perceived intentionality
– Basics of visual storytelling and narrative in design
4. Brand communication, motion identity and design systems
– Brand identity basics
– Dynamic branding and motion identity
– Motion as a component of visual brand systems
5. Limits and weaknesses of character-based narratives in contemporary contexts
– Aesthetic redundancy and “character fatigue”
– Generic styles (e.g. flat 2D, corporate mascot trends)
– Mismatches between character styles and brand identity
– Cases where animation is not used because characters are perceived as unsuitable
6. Alternative narrative systems in non-character storytelling
(Should be the central and detailed chapter… still unsure what exact content will be)
– Concept of non-character communication in motion design
– Motion grammar: timing, rhythm, transitions and system behaviour as meaning
– Typographic storytelling and kinetic typography
– Form-based and abstract narratives (shape, composition, colour, scale, rhythm)
– System-based and grid-based motion identities
– Emotional expression through form and movement without figurative characters‘
– …
– Synthesis: a preliminary framework of non-character narrative strategies
7. Methodology
– Research design and rationale
– Literature review approach
– Case study selection and analytical criteria
– Expert interviews (design, sample, procedure)
– Design experiment and user testing (setup, indicators, limitations)
8. Analysis and results
– Insights from case studies
– Summary of expert interviews
– Results of user testing (character vs. non-character versions)
9. Development and discussion of the framework / tool
– Integration of findings into a practical model
– Description of the experimental workpiece
– Implications for practice and client communication
10. Conclusion and outlook
Summary of key findings, Limitations of the study, Outlook for future research and practice in motion design.