“My desire is to set up a situation to which I take you and let you see. It becomes your experience.” – James Turrell

All Clear (2024), from the series
Ganzfeld (1976-)
Artwork @ James Turrell. Photo: Thomas Lannes
https://gagosian.com/exhibitions/2024/james-turrell-at-one/
James Turrell gehört zu den bedeutendsten Lichtkünstlern der Gegenwart. Sein Werk umfasst über fünf Jahrzehnte und bewegt sich an der Schwelle zwischen Kunst, Architektur, Wahrnehmungspsychologie und spirituellen Räumen. Turrells Arbeiten sind keine Objekte im klassischen Sinne, sondern Rahmenbedingungen, in denen Licht selbst zur Erfahrung wird.
1. Licht als Material und als Ort
Aus dem Art21-Interview wird deutlich, wie radikal Turrell Licht versteht. Er sagt:
“Generally, we use light. We don’t really pay much attention to the light itself. That’s my interest. This fascination with light and how we come to light.”
Turrell wendet den Blick weg vom „Beleuchteten“ hin zum „Licht selbst“. In einer Zeit, in der Licht meist als funktionales Werkzeug erscheint, zur Illumination, zur Orientierung oder zur Inszenierung, schafft er Situationen, in denen Licht als stoffliche Präsenz erfahrbar wird.
Turrell ist in der Quäker-Tradition aufgewachsen, wo Licht eine spirituelle Metapher darstellt („inner light“). Die Stille, das Sitzen, das Schauen und das Hinwenden zum Licht sind in dieser Tradition zentrale Praktiken.
Die Verbindung zu seinen Skyspaces und Meeting Houses wird hier deutlich: Die Räume erinnern an Andachtsräume, ohne sakral zu sein. Sie aktivieren die Aufmerksamkeit, die innere Ruhe und die Wahrnehmung des Materials Licht, als etwas, das den Raum formt, aber auch die eigene innere Wahrnehmung.
2. Roden Crater – Architektur des Himmels
Eines seiner monumentalsten Projekte ist Roden Crater, ein erloschener Vulkan im US-Bundesstaat Arizona, den Turrell seit den 1970er Jahren zu einem Gesamtkunstwerk transformiert.
Turrell beschreibt den Krater als einen Ort, an dem „der Kosmos herabgeholt“ wird:
- Licht der Sonne, acht Minuten alt,
- Sternenlicht, älter als das Sonnensystem,
- Mondphasen und kosmische Ereignisse wie der 18,6-Jahres-Zyklus des lunaren Stillstands.
Durch Öffnungen, Tunnel, Kammern und geologische Eingriffe wird Licht in hochpräziser Form in die Architektur gelenkt. So entsteht eine Situation, in der die Besucher:innen nicht mehr auf den Himmel schauen, sondern sich im Himmel wiederfinden.
„You realize its closeness… you discover that you’re in the atmosphere, not separated from the sky at night… you feel one with the universe.”
Diese Wahrnehmungsverschiebung ist zentral für Turrells Werk:
Der Betrachter soll nicht „sehen“, sondern erfahren, wie Licht Raum erzeugt und wie Raum Wahrnehmung verändert.
3. Das Berliner Skyspace – Licht als sakrale Präsenz
Turrells Installation im Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin ist ein weiteres Beispiel dafür, wie er Licht als architektonische Kraft einsetzt. Die Kapelle, 2015 eröffnet, arbeitet mit wechselnden Lichtprogrammen, die die weiße Innenarchitektur transformieren.
Der Raum wird nicht beleuchtet, er atmet.
Farbtöne gleiten über Wände, schärfen und verwischen Konturen, öffnen und schließen den Raum. Die Besucher:innen nehmen nicht einen „Lichteffekt“ wahr, sondern eine Atmosphäre, die sie selbst einschließt und verändert.
Diese Arbeit knüpft direkt an Turrells Skyspaces an, die u. a. in Lech am Arlberg und weltweit installiert sind. Die Skyspaces sind halboffene architektonische Räume, in denen ein quadratischer oder elliptischer Deckenausschnitt den Himmel als „lebendige Leinwand“ zeigt.
Turrells Grundidee:
Nicht der Himmel verändert sich, wir verändern uns, indem wir ihn bewusst betrachten.
4. Wahrnehmung statt Abbildung: Das Betreten des Kunstwerks
“A lot of people come to art and they look at it… They don’t actually enter the realm that the artist was involved in.”
Turrell fordert, dass Wahrnehmung nicht passiv bleibt. Seine Kunst muss nicht „interpretiert“ werden, sie muss betreten werden.
Das Publikum wird Teil der Arbeit, indem es im Licht sitzt, die Dauer erfährt, sich öffnet für minimale Veränderungen, die in ihrer Langsamkeit fast meditativen Charakter besitzen.
Das steht im starken Gegensatz zu einer Kunstrezeption, die von schnellen Impulsen, Fotografie und digitaler Reproduzierbarkeit geprägt ist.
Bei Turrell hingegen braucht Licht Zeit.
Raum braucht Zeit.
Wahrnehmung braucht Zeit.
Diese Haltung erinnert an die Tradition sakraler Architektur:
Kirchen, Moscheen, Tempel und Höhlen sind Räume der Langsamkeit, der Lichtsensibilisierung, des Übergangs vom Außen ins Innen.
Turrell greift diese Idee auf, entfernt aber narrative und religiöse Inhalte, und legt den Fokus auf die reine Erfahrung des Lichtes.
5. Relevanz für meine eigene künstlerische Forschung
Turrells Werk ist für meine Masterarbeit aus mehreren Gründen hochrelevant:
1. Licht als primäres Material
Auch meine Arbeit befasst sich mit Lichtprojektionen und Mapping-Techniken, die nicht als dekorative Effekte verstanden werden sollen, sondern als räumliche Eingriffe.
2. Architektur & Wahrnehmung
Wie Turrell testen auch Videomapping, Hologramme und immersive Installationen die Frage:
Wie verändert Licht den Raum, und wie verändert Raum die Wahrnehmung des Lichtes?
3. Sakrale Räume & Transzendenz
Turrells Werk operiert häufig zwischen Spiritualität und Wahrnehmung, ohne religiös zu sein, ein Modell, das sich gut mit meinen Überlegungen zur Nutzung sakraler Orte (Kirchen, Kapellen) für Lichtkunst verknüpfen lässt.
4. Atmosphärenbildung
Die Art, wie Turrell Licht als „Atmosphäre“ versteht, ist für meine Projektplanung (z. B. Hologramm, Nebelprojektion, sakrale Lichtinterventionen) äußerst inspirierend.
5. Das Eintauchen in das Werk
Turrell fordert nicht das „Anschauen“, sondern das Erleben des Kunstwerks.
Dieser Ansatz deckt sich mit meiner eigenen Ambition, nicht nur visuelle Bilder, sondern immersive Momente zu schaffen.
Schlussgedanke
James Turrell erschafft keine Bilder, sondern Situationen, in denen wir uns selbst im Licht begegnen.
Seine Räume sind zugleich archaisch und futuristisch, wissenschaftlich und spirituell, minimalistisch.
Literaturverzeichnis (Chicago Author–Date)
Art21. 2001. Exploring James Turrell’s Roden Crater and Quaker Meeting House. Video, 13:35. PBS / Art21.
https://www.youtube.com/watch?v=6TGzvDamBZQ
Champ Magazine. 2023. “Roden Crater – James Turrell’s Sky Observatory.” Champ Magazine.
https://champ-magazine.com/art/roden-crater/
Häusler Contemporary. 2015. “James Turrell – Kapelle Dorotheenstädtischer Friedhof.” Häusler Contemporary Gallery.
https://haeusler-contemporary.com/james-turrell-dorotheenstaedtischer-friedhof
Skyspace Lech. 2023. “James Turrell – Biography and Skyspace Lech.” Skyspace Lech Official Site.
https://www.skyspacelech.com/about/james-turell/
Hinweis zur Verwendung von KI-Tools
Zur sprachlichen Optimierung und Strukturierung wurde ein KI-gestütztes Schreibwerkzeug (ChatGPT, OpenAI, 2025) verwendet. Inhaltliche Reflexion basiert auf eigener Analyse.




