Eine Kirche auf Reisen zwischen Material, Ort und Bedeutung
Nach einer kreativen Pause fiel es mir zunächst schwer, wieder in mein Mapping-Projekt einzutauchen. Die ursprüngliche Idee – ein Modell einer Kirche als Projektionsfläche für ein Videomapping zu verwenden – fühlte sich plötzlich nicht mehr stimmig an. Ich stellte infrage, ob die stark vereinfachte Form dieses Modells überhaupt das Potenzial für ein visuell ansprechendes Ergebnis bietet. Die Architektur schien mir zu reduziert, zu geometrisch starr, um die emotionale und atmosphärische Tiefe zu erzeugen, die ich anstrebe.
Statt das Projekt jedoch vollständig zu verwerfen, beschloss ich, einen Schritt zurückzutreten und nach alternativen Ansätzen zu suchen. Dabei passte ich die Grundidee des Konzeptes an – inspiriert von dem Künstler Philipp Frank, der seine Mappings häufig in der freien Natur umsetzt.
Die Idee: Eine Kirche auf Wanderschaft
Die kleine Kirchenminiatur verlässt ihre gewohnte Umgebung und wird an verschiedenen Orten in und um Graz inszeniert – in der Natur, im Wald, auf dem Schlossberg oder an anderen atmosphärischen Plätzen. Dort soll sie mittels Projektion in wechselnden Texturen und Lichtstimmungen transformiert werden. Die Kirche als Objekt bleibt gleich, doch der Kontext – und damit ihre Wirkung – verändert sich.
Dieses Vorhaben stellte mich jedoch schnell vor technische Herausforderungen. Mein Mini-Beamer (Optoma ML750) benötigt 19 Volt bei mindestens 4,3 Ampere – deutlich mehr, als meine bisherigen mobilen Stromlösungen liefern konnten.
Um die Wirkung von Materialien und Oberflächen auf die Wahrnehmung von Architektur untersuchen zu können, wurden verschiedene Texturen – sowohl reale als auch fiktive – auf das Kirchenmodell gesetzt und gerendert.
Ich entwickelte ein einfaches Testkonzept, bei dem die Kirchenminiatur in Cinema 4D mit unterschiedlichen “Mood-skins” versehen wurde – eine Mischung aus prozeduralen Shadern und Material-Texturen, die verschiedene ästhetische Richtungen repräsentieren. Diese Kategorien reichten von:
- Sci-Fi
- dystopisch
- psychoaktiv
- farbenfroh
- emotional dunkel
- bis hin zu natürlichen Materialien wie Stoff, Pappe, Stein oder Kunststoff.
Ziel war es, visuell und atmosphärisch zu testen, wie unterschiedlich die Kirche je nach Materialbeschaffenheit wirkt – ohne die Architektur selbst zu verändern. Diese Test-Renderings sollen später Teil einer Animation werden, die sich in der Bewegung wiederholt, aber mit wechselnden Texturen versehen ist. So kann ich effizient verschiedene „Skins“ visualisieren, ohne jede Szene neu berechnen zu müssen.












Sound, Material und Atmosphäre
Im nächsten Schritt plane ich, die unterschiedlichen Materialwirkungen auch akustisch zu interpretieren. Jedes visuelle Setup soll eine eigene Soundästhetik erhalten – so wird das multisensorische Erlebnis verstärkt. Der Klang eines psychedelischen Settings unterscheidet sich schließlich grundlegend von jenem eines Holz- oder Betonlooks. Sobald die Texturen und Sounds definiert sind, beginne ich mit der Animation und finalen Vorbereitung für das Mapping – sei es mobil in der Natur oder stationär im Studio.
Literatursammlung zur Materialästhetik und Atmosphäre
Grundlagen & Inspiration
- Basics Materialität – Manfred Hegger u. a., Birkhäuser, 2014
Standardwerk zur Materialität in der Architektur. Behandelt die subjektive Wirkung von Oberflächen, haptische Reize und kreativen Umgang mit klassischen Baustoffen wie Holz, Beton, Stein.
→ degruyter.com - Sculpting Emotions: The Intersection of Space, Material, and Architecture – Rachata P. Tantaweewong, 2022
Wie Materialien Emotionen formen (Holz = Wärme, Beton = Stärke); räumliche Gestaltung als emotionaler Resonanzraum.
→ academia.edu
Mini-Konzept: für weitere „Unmögliche Oberflächen“
Ziel:
Entwicklung und Erprobung von virtuellen Materialien, die starke Stimmungen hervorrufen – jenseits traditioneller Baumaterialien – und als „Mood-Skins“ experimentell auf eine Modellkirche projiziert werden.
| Kategorie | Materialidee | Assoziation/Wirkung | Mögliche Anwendung |
| Sci-Fi / Dystopisch | Chrom-membranisch, flüssiges Metall | Künstlich, kühl, distanziert | Technik-Fetischismus, Entfremdung |
| Blutige Membran (halbtransparent, pulsierend) | Organisch, verstörend, lebendig | Körperassoziation, Opfer-Thematik | |
| Nanopartikel mit leuchtenden Fasern | Hochtechnologisch, surreal | Alien-Architektur, KI-Ästhetik | |
| Farbenfroh / Emotional | Opaleszierendes Glas mit Irisierung | Magisch, hoffnungsvoll, sakral | Spirituelle Momente, Lichterscheinung |
| Fluoreszierende Gel-Oberfläche | Verspielt, lebendig, fremd | Kindliches, Futurismus | |
| Holografischer Stoff mit Farbverläufen | Flüchtig, digital, vielschichtig | Transhumanismus, digitale Utopien | |
| Dunkel / Psychoaktiv | Schwarze, ölartige Oberfläche mit zitternder Reflexion | Bedrohlich, soghaft | Albtraumhaft, Angstzustände |
| Rissige Lava mit pulsierendem Leuchten | Wut, Gewalt, Dramatik | Apokalypse, Transformation | |
| Spiegelmaterial mit verzerrter Reflexion | Identitätsverlust, Instabilität | Surreale Verzerrung, Selbstbildkritik |