Was ist dieses „gewisse Etwas“?

Ist es nun endlich soweit? Nach neun intensiven Blogposts, in denen ich mich – oder wir uns – mit den verschiedensten Aspekten der Animation beschäftigt haben – von den ersten, wichtigen Grundlagen wie Gestaltungs- und Animationsprinzipien, über Sounddesign, Morphing, Timing, Rhythmus bis hin zu Mikrobewegungen und visueller Überladung – ist es nun an der Zeit, all das zusammenzuführen. 

Die zentrale Frage, die uns in diesem abschließendem Post jetzt beschäftigt ist nämlich: Was ist dieses „gewisse Etwas“, von dem alle zu sprechen scheinen? Was lässt eine Animation gut und eine Bewegung perfekt und natürlich aussehen?

Nun ist diese Frage natürlich nicht einfach zu beantworten – sonst wäre der Blog wohl nur halb so lang – denn die Anwort berührt viele, vielleicht sogar alle, eben dieser Themen, die wir bereits behandelt haben. Aber versuchen wir mit einem zusammenfassenden Blick auf all diese Erkenntnisse, die Essenz herauszukristallisieren um der Antwort zumindest ein kleines bisschen näher zu kommen

1. Das Fundament muss passen: Die Animationsprinzipien, auch wenn wir’s nicht mehr hören können.

    Zum wohl siebzigsten mal in dieser Blogposts muss ich die Animationsprinzipien erwähnen, denn man kommt nicht darum herum zu sagen, dass die 12 Animationsprinzipien von Frank Thomas und Ollie Johnston das Herzstück fast jeder gelungenen Animation sind – ob bewusst oder unbewusst (meistens bewusst, wenn’s wirklich gut ist!)
    Sie sind bestimmt ein Teil von eben diesem „gewisse Etwas“, das wir suchen, denn es ist zumindest das, was einer Figur oder einem Objekt Leben einhaucht.
    Ob „Squash and Stretch, „Anticipation“, „Follow Through“, „Timing“ und „Exaggeration“, das sind jene Dinge die Bewegungen nicht nur realistisch, sondern auch ausdrucksstark und emotional wirken lassen. Das zählt für Character-Animation, aber auch Motion Graphics!

    Um das ganze mit einem Beispiel in unseren Köpfen zu festigen:
    Wenn eine Figur springt, ist es nicht nur die auf und ab Bewegung selbst, die den Sprung glaubwürdig macht, sondern auch die Vorbereitung (Anticipation), das Strecken und Verzerren während des Sprungs (Squash and Stretch + Motion Blur?) und das Mitbewegen der Haare oder Kleidung (Follow Through).
    Die Prinzipien sind also das Rückgrat in der Animation und lassen Bewegungen richtig aussehen.

    2. Timing, Rhythmus und das Sounddesign

    Timing ist alles. – zählt wohl nicht nur im wahren Leben, sondern auch in der Umsetzung deiner Animation. Timing bestimmt, wie schnell oder langsam eine Bewegung abläuft, und beeinflusst damit direkt, wie natürlich sie für Betrachter:innen wirkt. 

    „Ease In und Ease Out“ ist da wohl ein guter Ansatzpunkt, denn Bewegungen beginnen meist langsam, beschleunigen und verlangsamen sich wieder, genau wie in der realen Welt. 

    Im Beispiel: Ein Ball, der auf den Boden fällt, benötigt Zeit, um zu beschleunigen und wieder abzubremsen. Ohne diese subtilen Timing-Anpassungen wirkt die Bewegung mechanisch und unnatürlich. Das heißt aber nicht „Easy Ease“ auf alle Keyframes in Aftereffects zu kopieren – wobei es oft besser ist als nichts – vielmehr soll man sich den Speed Graph etwas genauer anschauen, denn die Kurven können den Look und Adas Gefühl maßgeblich beeinflussen.

    Rhythmus spielt in deinen Videos ebenfalls eine große Rolle, besonders in Verbindung mit der Musik und deinem Sounddesign. Jene Bewegungen, die synchron zur Musik oder zu Soundeffekten verlaufen, wirken harmonisch und fließend.

    Das Sounddesign ist wohl die unsichtbare Kraft hinter der Bewegung und unsere unterschätzte Heldin in einer gelungenen Animation. Damit bekommen die Bewegung Tiefe, Sinn und Realismus. Das bezieht sich auf Dinge wie ein Schritt, der ohne passenden Sound hohl wirkt, oder einen Schlag ohne Impact-Geräsch, der kraftlos wirkt, aber auch auf den „Swoosh“ sound oder das Bounce Geräusch von Typo. Soundeffekte und Musik sorgen dafür, dass die animierten Bewegung nicht nur visuell, sondern auch auditiv wahrgenommen und unterstrichen werden! (Schau dir als beispiel deine Lieblingsanimation ohne die beatlastige Musik im Hintergrund an – schon bisschen komisch, und plötzlich achtet man ganz anders auf die Bewegungen als davor!)

    3. Mikrobewegungen

    Kleine, subtile Bewegungen sind oft ein wichtiger Schritt, um eine Animation natürlich wirken zu lassen. Sei es ein leichtes Zucken der Mundwinkel, das Heben einer Augenbraue oder das sanfte Schwingen von Haaren im Wind – die Figur bekommt Persönlichkeit, Authentizität und Echtheit. Diese Details werden zwar oft unbewusst wahrgenommen – außer geschulte Augen wie unsere achten darauf und denken sich „Ach, clever, wie die Nase immer zuckt“ – aber sie machen den Unterschied zwischen einer steifen und einer lebendigen Animation!

    Also: Wenn eine Figur spricht, bewegt sich nicht nur der Mund, sondern auch die Wangen, die Augenbrauen und manchmal sogar die Nasenflügel.

    4. Weniger ist (meistens) mehr: Visuelle Überladung vermeiden:

    Ein häufiger Fehler in der Animation ist die Überladung mit zu vielen visuellen Elementen oder Bewegungen, denn hat man den dreh erst raus verliert man sich manchmal in den Details!
    Over-Animating kann dazu führen, dass die Szene unübersichtlich und anstrengend für die Betrachter:innen werden und wie im Blogposts genauer ausgeführt lehrt uns die Cognitive Load Theory, dass unser Gehirn nur eine begrenzte Menge an Informationen gleichzeitig verarbeiten kann! Wenn eine Animation also zu viele Details oder Bewegungen enthält, die alle wahrgenommen, gelesen und verstanden werden müssen, wird die kognitive Belastung zu hoch, und die Betrachter:innen verlieren den Fokus. Durch die Reduktion auf das Wesentliche wird die Geschichte klarer und die Animation wirkt natürlicher.

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    Magdas-„Mach deine Animation besser“-Liste

    Was würde ich für mich nun als Punkte zusammenfassen, auf die ich in Zukunft speziell achten werde um dem „gewissen Etwas“ näher zu kommen? Während dem schreiben der Artikel hab ich immer wieder für mich persönlich notiert, worauf ich speziell achten muss und was mir als häufige Fehler in meiner Animation aufgefallen ist. Die Liste ist vielleicht etwas subjektiv, aber der eine oder andere Hinweis ist bestimmt auch für Fellow-Animators interessant.

    „Boa das ist noch richtig kacke gerade“ – Häufige Fehlerchen und Tippsssss:

    • FEEDBACK EINHOLEN, von Leuten die sich auskennen aber nicht schon 7h das selbe video in Dauerschleife sehen.
    • Referenzmaterial nutzen: 
      Egal, ob es sich um reale Videos, Fotos oder sogar eigene Aufnahmen handelt – Referenzen helfen dabei die Bewegungen realistischer zu gestalten. Man kann sich selbst filmen um das Timing und die Physik von Bewegungen besser zu verstehen oder sich Beispiele holen um sich am Timing deren zu orientieren.
    • Bewegungsbögen (Arcs) beachten: Fast alle natürlichen Bewegungen folgen einem Bogen
    • Sounddesign als integralen Bestandteil sehen: Soundeffekte, Foley und Musik sollten nicht nachträglich hinzugefügt, sondern von Anfang an in den Animationsprozess integriert werden. Gutes Sounddesign verstärkt die Emotionen und die Glaubwürdigkeit der Bewegung
    • Schlechtes Timing: Easy-Ease is not enough. Schau dir bewusst den Graphen an. Denk BEWUSST drüber nach wie das funktioniert und setz BEWUSST Beschleunigung oder Abbremsen ein. Timing ist entscheidend, um Gewicht, Emotionen und Dynamik zu vermitteln.
    • Unnatürliche Pausen: Bewegungen, die abrupt enden oder ohne Übergang pausieren, wirken oft unfertig. Wenn Pause, dann richtig und bemerkbar.
    • Unausgeglichene Komposition: Eine schlechte Bildkomposition kann die Wirkung einer Animation beeinträchtigen. Elemente sollten so angeordnet sein, dass sie den Blick der Betrachter:innen natürlich führen. >> Eye Tracing
    • Eye-Tracing: Eye-Tracing (die gezielte Lenkung des Blicks der Betrachter:innen ) ist ebenfalls wichtig, um die Aufmerksamkeit auf die richtigen Elemente zu lenken. Schau dir bewusst an, ob der Blick zu wild hin- und her- springt
    • Negative Räume nutzen: Nicht jede Bewegung muss spektakulär sein. Pausen und Ruhephasen sind genauso wichtig, um Spannung und Dynamik zu erzeugen.
    • Gewicht und Masse: Oft wird vergessen, dass Objekte und Charaktere Gewicht haben. Ein schwerer Gegenstand sollte sich langsamer bewegen als ein leichter, und die Animation sollte dies widerspiegeln.
    • Fehlende Details im Hintergrund: Oft konzentriert man sich so sehr auf die Hauptaktion, dass der Hintergrund statisch und langweilig wirkt. Subtile Bewegungen im Hintergrund  können die Szene lebendiger machen. (Aber Achtung, kein Over-Animating)
    • Überanimation (Over-Animating): Es muss sich nicht immer alles drehen, herumrutschen und sich bewegen. Manchmal reicht es dinge auszufaden. Du kannst einen SCHNITT setzen und zur nächsten Szene wandern, das muss nicht alles morphen und herumfliegen. Chill.
    • Bewegungen Vergessen:
      Fehlendes Follow-Through und Overlapping Action:
       Lass die Bewegungen nicht zu abrupt enden und denk nach ob es sekundäre Elemente gibt die natürlich nachschwingen. Mikrobewegungen: Kleine, subtile Bewegungen fehlen oft, was dazu führt, dass Charaktere roboterhaft wirken. Deine Figur muss zb auch ATMEN!

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    Das „gewisse Etwas“: Die Summe aller Teile

    Beim Lesen der Überschrift denken sich wohl einige „ok wow, das ist mir schon klar, aber das ist wirklich keine wirklich hilfreich Aussage“ 

    Aber was soll man sagen, letztendlich ist das „gewisse Etwas“, das eine Animation gut und eine Bewegung perfekt aussehen lässt, eben diese Summe aller Elemente, Tipps und Tricks!

     
    Es ist die Kombination aus soliden Animationsprinzipien, präzisem Timing, gutem Sounddesign, subtilen Mikrobewegungen, einer klaren visuellen Komposition und all den anderen Dingen, die wir im Blog bearbeitet haben. Wenn all das zusammenwirkt, entsteht eine Animation, die nicht nur technisch korrekt, sondern auch emotional ansprechend und lebendig ist!

    Die Kunst der Animation liegt, schön formuliert, darin „die Illusion des Lebens zu schaffen“.
    Es geht nicht nur darum, Bewegungen technisch korrekt darzustellen, sondern auch darum, Emotionen zu vermitteln und eine Geschichte zu erzählen. Die Fähigkeit, all diese Elemente – von den grundlegenden Animationsprinzipien bis hin zu den subtilen Details einzusetzen und zu vereinen ist „das gewisse Etwas“ – und da gibt es auch kein konkretes richtig oder falsch. Technische Perfektion allein reicht nicht aus – die Animation muss das Publikum berühren. Das „gewisse Etwas“ ist die Fähigkeit, eine Geschichte zu erzählen, die die Betrachter:innen emotional abholt. Ob es sich um eine subtile Geste, einen intensiven Blick oder eine dramatische Bewegung handelt – es sind die emotionalen Momente, die eine Animation unvergesslich machen.

    Am Ende des Tages ist es eine Art von Harmonie, die eine Animation gut und eine Bewegung perfekt und natürlich aussehen lässt (harmonisch nicht im friedlichen Sinn, Harmonie kann auch im chaos sein). Gute Animation ist irgendwie ja doch harte Arbeit, sorgfältige Planung und ein tiefes Verständnis dafür, wie wir die Welt um uns herum wahrnehmen!

    [ABER
    HEY

    Mit all den Informationen und dem Willen zu lernen wird das bestimmt super cool.
    YOU ROCK. Learning by doing!]

    Tschüss und danke für’s Lesen!

    Quellen: 
    Thomas, Frank/Johnston, Ollie: *The Illusion of Life: Disney Animation*. New York: Abbeville Press, 1981.

    Williams, Richard: The Animator’s Survival Kit. New York: Faber & Faber, 2009.

    Dupre, Gwénaëlle: Sound Design in Animation: Definition, Process & Challenges*. CG Wire, 2023.

    Yablonski, Jon: Design Principles for Reducing Cognitive Load (2015).

    Business of Animation: 6 Ways to Avoid Over-Animating Scenes.

    Hooks, Ed: Acting for Animators.

    Adobe: Die 12 Prinzipien der Animation. Adobe/Animation/Discover, o.D.

    Sokolov, Paul: Wie Timing und Pacing den Rhythmus der Montage im professionellen Filmschnitt bestimmen. Filmpuls.info, 2024.

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