Pionierinnen des Films: Louise Fleck

Die Filmgeschichte ist reich an bemerkenswerten Figuren, doch viele bedeutende Beiträge von Frauen wurden oft übersehen. Louise Fleck, eine der frühesten Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen Österreichs, steht exemplarisch für eine Generation von Frauen, die die frühe Filmindustrie prägten, jedoch lange Zeit nicht die verdiente Anerkennung erhielten. Ihr Schaffen und ihre Rolle als Frau in der Filmbranche sind sowohl historisch als auch gesellschaftlich relevant und verdienen eine eingehende Betrachtung.

Biografische Hintergründe

Louise Fleck wurde am 1. August 1873 als Louise Velté in Wien geboren. Ihr Einstieg in die Filmwelt begann in Zusammenarbeit mit ihrem ersten Ehemann, Johann Schwarzer, dem Gründer der Österreichischen Urania, einer Produktionsfirma für Lehrfilme und Unterhaltungsproduktionen. Nach dem frühen Tod Schwarzers im Jahr 1914 heiratete sie den Filmemacher Jakob Fleck, mit dem sie eine lebenslange berufliche Partnerschaft einging. Gemeinsam zählten sie zu den wichtigsten Filmschaffenden der österreichischen Stummfilmmoderne.

In einer Zeit, in der Frauen selten hinter der Kamera standen, entwickelte Louise Fleck ihre Karriere sowohl als Drehbuchautorin als auch als Regisseurin. Dabei leitete sie nicht nur Produktionen, sondern trug auch aktiv zu Drehbüchern und kreativen Konzepten bei. Ihre aktive Rolle in einer von Männern dominierten Industrie war zur damaligen Zeit außergewöhnlich und macht sie zu einer Pionierin.

Schaffen und Werke

Louise Fleck war eine der ersten Frauen Überhaupt, die Filme inszenierten. Ihre filmische Karriere begann während der Stummfilmzeit, als sie in den 1910er-Jahren gemeinsam mit Jakob Fleck zahlreiche Produktionen realisierte. Sie gilt als Mitregisseurin oder alleinige Regisseurin von über 50 Filmen. Ihr Werk umfasste dabei eine Vielfalt von Genres, darunter Melodramen, Literaturverfilmungen und gesellschaftskritische Stoffe.

Ein besonders bemerkenswertes Werk aus ihrer Feder ist “Der Pfarrer von Kirchfeld” (1914), eine Adaption des gleichnamigen Volksstücks von Ludwig Anzengruber. Der Film wurde sowohl für seine narrative Kraft als auch für seine ästhetischen Innovationen gelobt. Louise Flecks Adaptionen zeichneten sich durch eine sensible Behandlung der Stoffe aus, die emotionale Tiefe und soziale Themen in den Vordergrund stellten.

Nach dem Ersten Weltkrieg arbeiteten Louise und Jakob Fleck in Deutschland, wo sie unter anderem den Film “Die Suffragette” (1913) realisierten. Dieser Film griff das damals hochaktuelle Thema der Frauenrechtsbewegung auf und unterstrich Louise Flecks Interesse an gesellschaftlichen Fragen. Auch wenn viele ihrer Werke nicht erhalten geblieben sind, ist bekannt, dass sie oft Geschichten erzählte, die von moralischen Konflikten und sozialen Umbrüchen geprägt waren. Dies macht sie zu einer wichtigen Stimme der frühen Filmgeschichte.

Herausforderungen und ihre Rolle als Frau in der Filmbranche

Louise Flecks Karriere ist besonders bemerkenswert, wenn man die strukturellen Hindernisse bedenkt, mit denen Frauen in der Filmbranche zu jener Zeit konfrontiert waren. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Filmindustrie stark von patriarchalen Strukturen geprägt. Frauen waren häufig auf Rollen vor der Kamera beschränkt, während Männer die kreativen und geschäftlichen Entscheidungen trafen.

Trotz dieser Einschränkungen gelang es Louise Fleck, sich als kreative Kraft zu etablieren. Sie übernahm oft die künstlerische Leitung ihrer Filme und zeigte ein Gespür für komplexe Charakterzeichnungen und gesellschaftliche Themen. Ihr Erfolg war das Ergebnis von Talent, Durchhaltevermögen und ihrer strategischen Zusammenarbeit mit Jakob Fleck, die ihr den notwendigen Handlungsspielraum verschaffte. Diese Partnerschaft war für ihre Karriere essenziell, spiegelt aber auch die Abhängigkeiten wider, denen Frauen in der Branche ausgesetzt waren.

Darüber hinaus war Louise Fleck eine Vorreiterin für andere Frauen in der Filmindustrie. Indem sie bewies, dass Frauen nicht nur vor der Kamera, sondern auch hinter den Kulissen bedeutende Beiträge leisten konnten, inspirierte sie eine neue Generation von Filmschaffenden. Dennoch blieb ihre Arbeit lange Zeit weitgehend unerwähnt, da die Filmgeschichtsschreibung über Jahrzehnte hinweg weibliche Perspektiven marginalisierte.

Bedeutung und Nachwirkung

Louise Flecks Beitrag zur Filmgeschichte ist unbestritten, auch wenn sie erst in den letzten Jahrzehnten die ihr gebührende Aufmerksamkeit erhalten hat. Ihre Filme stehen exemplarisch für die innovative Kraft des frühen Films, insbesondere im deutschsprachigen Raum. Gleichzeitig illustrieren sie die Herausforderungen, denen Frauen in einer männlich dominierten Branche gegenüberstanden.

Ihre Arbeit ist nicht nur ein Zeugnis ihrer künstlerischen Vision, sondern auch ein Ausdruck ihres Willens, gesellschaftliche Themen in einem Medium zu behandeln, das sich damals noch in der Findungsphase befand. Ihr Leben und Schaffen werfen ein Licht auf die Übergangszeit von der Stummfilm- zur Tonfilmära und dokumentieren den Wandel der Filmkultur im 20. Jahrhundert.

Die Wiederentdeckung und Würdigung von Louise Flecks Werk ist ein wichtiger Schritt, um die historische Rolle von Frauen in der Filmindustrie sichtbarer zu machen. Sie gilt heute als Symbol für die weibliche Kreativität und Innovationskraft in einer Branche, die bis heute mit Geschlechterungleichheiten kämpft.

Fazit

Louise Fleck war eine Pionierin, die nicht nur die frühe Filmgeschichte prägte, sondern auch den Weg für Frauen in der Filmindustrie ebnete. Ihr Schaffen ist ein Beweis dafür, dass Frauen schon von Beginn an eine zentrale Rolle in der Filmproduktion gespielt haben, auch wenn dies lange Zeit nicht anerkannt wurde. Ihre Werke und ihr Engagement verdienen es, in der historischen und kulturellen Erinnerung lebendig gehalten zu werden. Louise Flecks Vermächtnis ist ein Aufruf, die Filmgeschichte inklusiver zu betrachten und die Beiträge von Frauen in den Vordergrund zu rücken.

Quelle: https://wfpp.columbia.edu/pioneer/louise-kolm-fleck/
https://de.wikipedia.org/wiki/Luise_Fleck
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Luise_Fleck

Frauen im US-amerikanischen Stummfilm

Die Geschichte der Frauen im US-amerikanischen Stummfilm ist weit komplexer und facettenreicher, als es die gängigen Darstellungen nahelegen. Neue Forschungen zeigen, dass Frauen in dieser frühen Phase der Filmgeschichte nicht nur als Schauspielerinnen aktiv waren, sondern eine Vielzahl von Berufen innerhalb der Filmindustrie ausübten. Von Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen über Kamerafrauen bis hin zu Produzentinnen und Filmvorführerinnen reichte ihr Einfluss, der jedoch im Laufe der Industrialisierung und Professionalisierung der Filmbranche stark eingeschränkt wurde. Der folgende Text beleuchtet die Arbeitsbereiche und den Wandel der Rollen von Frauen in der Stummfilmzeit in mehreren Aspekten.

Frühe Rollenvielfalt: Frauen als Pionierinnen der Filmindustrie

Zu Beginn der Filmgeschichte, Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, war die Filmproduktion geprägt von einer experimentellen, oft improvisierten Arbeitsweise, die Frauen zahlreiche Möglichkeiten bot. Die Filmindustrie war noch nicht vollständig geschlechtssegregiert, und Frauen übernahmen in dieser Zeit sowohl kreative als auch technische Aufgaben. Neben ihrer Rolle als Schauspielerinnen wirkten Frauen in der frühen Filmproduktion als Drehbuchautorinnen, Regisseurinnen und sogar Kamerafrauen mit.

Ein Beispiel für diese frühe Rollenvielfalt ist Alice Guy Blaché, eine der ersten weiblichen Regisseurinnen und Produzentinnen der Welt. Sie gründete 1910 die Solax Company in Fort Lee, New Jersey, und übernahm eine führende Rolle in der Filmproduktion. Ihre Arbeit zeigte, dass Frauen in der Lage waren, sowohl die kreative als auch die geschäftliche Leitung eines Filmprojekts zu übernehmen. Ebenso ist Gene Gauntier hervorzuheben, die ab 1907 als Drehbuchautorin, Schauspielerin und Regisseurin tätig war.

Berufliche Vielfalt und Geschlechterrollen in der Stummfilmzeit

Eine umfassende Untersuchung aus dem Jahr 1923 dokumentierte 29 verschiedene Berufe, die Frauen innerhalb der Filmindustrie ausübten. Neben kreativen Tätigkeiten wie Drehbuchautorinnen, Regisseurinnen, Cutterinnen und Produzentinnen waren Frauen auch in unterstützenden Rollen tätig, etwa als Sekretärinnen, Telefonistinnen, Haarstylistinnen und Kostümbildnerinnen. Interessanterweise waren viele dieser Berufe in den frühen Jahren der Filmproduktion nicht eindeutig geschlechtsspezifisch. So arbeiteten Frauen auch in technischen Bereichen, etwa als Kamerafrauen, Filmeditorinnen oder Laborarbeiterinnen.

Im Laufe der 1910er Jahre begann jedoch eine geschlechtsbezogene Trennung der Aufgaben innerhalb der Filmindustrie. Während Berufe wie Schnitt oder Montage zunehmend als „weiblich“ betrachtet wurden, blieben andere Bereiche, insbesondere Regie und Produktion, weiterhin männlich dominiert. Dennoch ist zu beachten, dass einige Frauen wie Lois Weber oder Dorothy Arzner es schafften, sich in diesen traditionell männlich geprägten Feldern zu behaupten.

Der Übergang zur Tonfilm-Ära: Einschränkungen für Frauen

Die Umstellung auf den Tonfilm in den späten 1920er Jahren brachte tiefgreifende strukturelle Veränderungen in der Filmindustrie mit sich, die die Rolle von Frauen stark beeinflussten. Während in den frühen Jahren Frauen wie Agnes Christine Johnston oder Sonya Levien bedeutende Beiträge als Drehbuchautorinnen und Regisseurinnen leisteten, wurde ihr Einfluss mit der Professionalisierung der Branche zunehmend eingeschränkt. Die Entwicklung hin zu einem zentralisierten Studiosystem in Hollywood bedeutete oft, dass Frauen aus Führungspositionen verdrängt wurden.

Ein prominentes Beispiel ist Dorothy Arzner, die Mitte der 1920er Jahre als einzige Frau in Hollywood als Regisseurin tätig war. Obwohl Arzner auch in der Tonfilmzeit erfolgreich arbeitete, war sie eine Ausnahme in einer zunehmend männerdominierten Industrie. Andere Frauen, die ihre Karriere in der Stummfilmzeit begonnen hatten, wie etwa Drehbuchautorinnen Josephine Lovett und Sarah Y. Mason, konnten ihre Arbeit in der Tonfilm-Ära fortsetzen, mussten jedoch häufig in unterstützende Rollen zurücktreten.

Regionale Filmproduktionen und unabhängige Initiativen

Abseits von Hollywood boten regionale Filmproduktionen Frauen oft größere Freiheiten und mehr kreative Kontrolle. Viele dieser Projekte wurden durch persönliche oder familiäre Mittel finanziert, da sie nicht die Unterstützung der großen Studios erhielten. Madeline Brandeis, die in den 1920er Jahren die Madeline Brandeis Productions gründete, nutzte beispielsweise das Vermögen ihres Mannes, um Bildungsfilme für Kinder zu produzieren. Ihre Filme wurden von Pathé vertrieben und zeigten, dass Frauen auch abseits von Hollywood erfolgreich sein konnten.

Ein weiteres Beispiel ist Ruth Bryan Owen, die 1922 den Film Once Upon a Time in Florida produzierte und dabei lokale Schauspieler und Crewmitglieder einsetzte. Diese regionalen Produktionen waren oft experimentell und nutzten die geografischen und kulturellen Besonderheiten ihrer Umgebung. Frauen wie Nell Shipman, die in Idaho Naturmelodramen drehte, und Beatriz Michelena, die in Kalifornien Westernfilme produzierte, trugen zu einer alternativen Filmkultur bei, die sich von der Hollywood-Dominanz absetzte.

Immigrantinnen und Minderheiten in der Filmproduktion

Frauen aus Einwandererfamilien spielten ebenfalls eine wichtige Rolle in der Stummfilmzeit. Alice Guy Blaché, eine französische Einwanderin, brachte ihre Erfahrung aus der europäischen Filmproduktion mit, als sie die Solax Company in den USA gründete. Andere Frauen, wie die jüdische Drehbuchautorin Sonya Levien oder die russische Schauspielerin Alla Nazimova, nutzten ihre ethnische Herkunft und ihre Hintergrundgeschichten, um sich in der Branche zu positionieren.

Gleichzeitig gab es Frauen aus Minderheitengruppen, die eigene Produktionsfirmen gründeten. Marion E. Wong, eine chinesisch-amerikanische Produzentin, gründete 1917 die Mandarin Film Company und produzierte den Film The Curse of Quon Gwon. Dieser Film, der lange Zeit als verloren galt, wurde kürzlich restauriert und zeigt, wie Frauen aus Minderheitengruppen innovative Beiträge zur Filmgeschichte leisteten.

Die Bedeutung der Zusammenarbeit: Ehepaare und Familien in der Filmproduktion

Die Filmindustrie der Stummfilmzeit war geprägt von engen Arbeitsbeziehungen, die oft in familiären oder romantischen Kontexten stattfanden. Frauen wie Gertrude Thanhouser, die als Mitbegründerin der Thanhouser Film Company tätig war, arbeiteten eng mit ihrem Ehemann oder anderen Familienmitgliedern zusammen. Diese „familiäre Produktionsweise“ ermöglichte es Frauen, Einfluss auf kreative und geschäftliche Entscheidungen zu nehmen, obwohl ihre Beiträge oft hinter denen ihrer männlichen Partner verborgen blieben.

Ein weiteres Beispiel ist die Partnerschaft von Lois Weber und Phillips Smalley, die als Drehbuchautorin und Regisseurin bedeutende Beiträge leistete. Weber gilt als eine der dynamischsten Frauen der Stummfilmzeit, deren Einfluss trotz der Zusammenarbeit mit ihrem Ehemann deutlich erkennbar bleibt.

Fazit: Ein „Goldenes Zeitalter“ der Frauen im Film?

Die ersten zwei Jahrzehnte des Stummfilms können als ein goldenes Zeitalter für Frauen in der Filmindustrie betrachtet werden. In dieser Zeit hatten Frauen Zugang zu einer Vielzahl von Berufen und prägten die Entwicklung des Mediums entscheidend mit. Mit der Professionalisierung und Zentralisierung der Branche ab Mitte der 1920er Jahre wurden jedoch viele Frauen aus einflussreichen Positionen verdrängt. Dennoch bleibt ihre Pionierarbeit ein bedeutendes Kapitel der Filmgeschichte, das eine Neubewertung der Geschlechterrollen in der frühen Filmproduktion erfordert. Die Rückbesinnung auf die Beiträge von Frauen wie Alice Guy Blaché, Lois Weber und Dorothy Arzner zeigt, dass Frauen von Anfang an zentrale Akteurinnen der Filmgeschichte waren.

Quelle: https://wfpp.columbia.edu/essay/how-women-worked-in-the-us-silent-film-industry/

Die Rolle von Frauen in der frühen Filmindustrie

Die frühen Jahre der Filmindustrie waren geprägt von unzähligen Herausforderungen und technischen Entwicklungen. Frauen spielten dabei eine entscheidende Rolle, insbesondere als “Cutterinnen” (später bekannt als Editorinnen), die durch ihre Arbeit maßgeblich zur visuellen Sprache des klassischen Hollywood beitrugen. Zu den bedeutendsten Figuren zählt Margaret Booth, die als eine der einflussreichsten Frauen in der Geschichte des Film-Cuttings gilt und deren Karriere Einblicke in die Entwicklung und Herausforderungen weiblicher Filmarbeiterinnen bietet.

Die Anfänge: Frauen als Cutterinnen in der Stummfilmzeit

In den 1910er und 1920er Jahren war das Schneiden von Filmen eine Arbeit, die häufig Frauen übertragen wurde. Der Beruf wurde als technisch und monoton wahrgenommen, was ihn in einer von Männern dominierten Industrie für Frauen zugänglich machte. Ein Artikel der Los Angeles Times aus dem Jahr 1926 beschreibt das Schneiden von Filmen als “eine der wichtigsten Positionen in der Filmindustrie”, die jedoch hauptsächlich von Frauen besetzt war. Junge, oft aus der Arbeiterklasse stammende Frauen, wurden angestellt, um unzählige Meter Filmmaterial zusammenzufügen und so die Grundlage für die Geschichten auf der Leinwand zu schaffen.

Dieser Prozess, der damals weitgehend manuell erfolgte, erforderte Präzision, Geduld und ein intuitives Verständnis für Rhythmus und visuelle Erzählung. Cutterinnen sichteten täglich Material, sortierten Szenen und entschieden gemeinsam mit Regisseuren, welche Sequenzen verwendet und welche entfernt werden sollten. Obwohl sie eine zentrale Rolle im Produktionsprozess spielten, wurden sie in der Regel nicht in den Filmcredits erwähnt, und ihre Arbeit blieb weitgehend unsichtbar.

Margaret Booth: Eine Pionierin des Film-Cuttings

Margaret Booth begann 1915 als Film-Joinerin in den Studios von D. W. Griffith. Ihre Tätigkeit umfasste zunächst das Zusammenfügen von Filmrollen, eine mühsame Arbeit, die ein scharfes Auge und große Konzentration erforderte. Bald darauf wurde sie zur Negativschneiderin befördert, wo sie die korrekte Zuordnung von Positiven und Negativen sicherstellte – eine besonders anspruchsvolle Aufgabe in einer Zeit, in der noch keine technischen Hilfsmittel wie Key- oder Edge-Nummern existierten.

Booth erlangte erstmals Aufmerksamkeit, als sie mit dem Regisseur John Stahl zusammenarbeitete. Stahl erkannte ihr Talent und ließ sie mit ungenutztem Filmmaterial experimentieren. Diese Experimente führten dazu, dass Booth Szenen eigenständig schnitt, deren Qualität Stahl schließlich überzeugte. Später übernahm sie offiziell die Rolle der Cutterin und erhielt erstmals Credits, obwohl sie betonte, dass Stahl weiterhin die Hauptentscheidungen traf. Booth entwickelte während dieser Zeit ein besonderes Gespür für den Rhythmus eines Films und die Bedeutung von Close-ups, wie sie in ihrem Essay “The Cutter” (1938) ausführte: “Eine Linie, gesprochen in einer Totalen, gewinnt deutlich an Bedeutung, wenn sie mit einem Close-up unterstrichen wird.”

Mit der Fusion von Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) 1924 begann Booths Karriere rasant aufzusteigen. Sie schnitt Filme für namhafte Regisseure wie Fred Niblo und Robert Z. Leonard und wurde schließlich zur Supervising Editorin von MGM ernannt. In dieser Position überwachte sie alle Cutter des Studios und arbeitete eng mit Produzenten wie Irving Thalberg zusammen. Ihre Fähigkeit, Filme effizient und kreativ zu schneiden, trug wesentlich zum Erfolg zahlreicher MGM-Produktionen bei.

Die Bedeutung von Cutterinnen für den klassischen Hollywood-Stil

Frauen wie Margaret Booth prägten nicht nur die Technik, sondern auch die Ästhetik des klassischen Hollywood-Films. Ihre Arbeit war entscheidend für die Entwicklung eines kohärenten Erzählrhythmus und die visuelle Spannung, die viele Filme dieser Ära auszeichneten. Blanche Sewell, eine weitere bedeutende Cutterin, schnitt MGM’s ersten Tonfilm und bewies, dass Frauen auch in der Übergangsphase vom Stumm- zum Tonfilm unverzichtbar waren.

Die Einführung des Tons stellte Cutterinnen vor neue Herausforderungen, da Bild und Ton synchronisiert werden mussten. Booth äußerte später, dass der Verlust der Flexibilität, den der Ton mit sich brachte, durch die Zusammenarbeit mit neuen Experten aus der Technikabteilung erschwert wurde. Dennoch waren Frauen weiterhin an vorderster Front, wie die Arbeiten von Viola Lawrence und Barbara McLean zeigen.

Der schwindende Einfluss von Frauen im Editing

Trotz ihrer prägenden Rolle in der frühen Filmgeschichte begannen Frauen ab den 1940er Jahren zunehmend aus den Schneiderräumen zu verschwinden. Einstiegspositionen, die zuvor häufig Frauen offenstanden, wurden zunehmend von Männern besetzt. Ein Artikel der Los Angeles Times aus dem Jahr 1940 bezeichnete den Beruf der Cutterin bereits als “verschwindenden Beruf.” Dennoch blieben einige Frauen wie Booth und Anne Bauchens weiterhin aktiv und beeinflussten die Filmindustrie über Jahrzehnte.

Fazit

Die Arbeit von Margaret Booth und anderen Cutterinnen zeigt, dass Frauen in der frühen Filmindustrie eine Schlüsselrolle spielten, die weit über technische Aufgaben hinausging. Sie entwickelten neue Techniken und trugen entscheidend zur Ästhetik des klassischen Hollywoods bei. Trotz ihres Beitrags wurden sie oft übersehen oder marginalisiert. Erst in den letzten Jahren hat die Filmgeschichtsschreibung begonnen, ihren Einfluss angemessen zu würdigen. Die Leistungen von Frauen wie Booth sind ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, wie weibliche Kreativität und Fachkenntnis die Filmkunst nachhaltig geprägt haben.

Quelle: https://wfpp.columbia.edu/essay/cutting-women/

Dritter Österreichischer Film Gender Report 

Der Dritte Österreichische Film Gender Report ist eine umfassende Studie, die die Geschlechterverhältnisse im österreichischen Filmschaffen für die Jahre 2020 und 2021 analysiert. Er setzt die Untersuchungen der beiden vorherigen Berichte des österreichischen Filminstituts und der Universität Innsbruck fort und bietet aktualisierte Daten sowie erweiterte Analysen. Der Bericht dient als Grundlage für Maßnahmen zur Förderung der Geschlechtergleichstellung und Diversität im österreichischen Filmsektor.

Die Studie gliedert sich in drei Hauptteile:

Teil A: Untersuchung der Geschlechterverteilung in verschiedenen Bereichen des österreichischen Filmschaffens, mit besonderem Fokus auf die Kameraarbeit.

Teil B: Analyse der Darstellung von Frauen und Männern in österreichischen Kino-Spielfilmen und -Dokumentarfilmen, einschließlich weiterer Diversitätsaspekte wie sexuelle Orientierung, Migration und soziale Schicht.

Teil C: Betrachtung der Geschlechterverhältnisse in der österreichischen Filmförderung und in Entscheidungsgremien des Österreichischen Filminstituts.

Kernaussagen:

Anteil von Frauen

Frauen in „technischen“ Stabstellen wie Licht (8%), Ton (14%) oder Kamera (20%) sowie den machtvollen Kern-Departments Produktion (35%), Drehbuch (41%) und Regie(43%).

Geschlechterverhältnis im Kernteam 

Regie, Drehbuch, Produktion – zeigt, dass in den Jahren 2020 und 2021 nur 35% der Spiel- und Dokumentarfilme weiblich verantwortet waren, d.h. dass sie mehrheitlich oder exklusiv weibliche Kernteams hatten. Dagegen waren 55% männlich verantwortet. Im Spielfilm war das Verhältnis noch unausgeglichener: Nur jeder fünfte Spielfilm (20%) wurde von Frauen verantwortet, während im Dokumentarfilmbereich fast die Hälfte der Filme (48%) weiblich verantwortet waren.

Wenig Kamerafrauen

Männliche Kernteams arbeiteten beinahe ausschließlich mit Kameramännern. Aber auch weibliche Kernteams beschäftigen überwiegend Kameramänner: Nur knapp jede dritte (30%) der Kamerapersonen in Filmen mit weiblicher Verantwortung war eine Frau. In den Jahren 2012–2016 betrug der Frauenanteil in der Stabstelle Kamera im Durchschnitt 10%. Bis 2017–2021 stieg der Frauen- anteil um 10 Prozentpunkte auf 20%. Der Frauenanteil ist also angestiegen, verbleibt jedoch auf einem niedrigen Niveau.

Frauenanteil in der Filmförderung zwar gestiegen, aber mit 33 % immer noch zu niedrig

Nur ein Drittel aller in Kino und TV zugesagten Fördermittel ging an Frauen, das ist um ein Viertel mehr als noch in den Jahren 2017–2019. In der Kinoförderung wurde ein Anstieg auf 38 % erreicht, im Fernsehen gingen nach einer geringen Steigerung nur etwas mehr als ein Fünftel der Fördermittel an Frauen.

Der TV-Bereich ist weiterhin ein von Männern dominierter Sektor

Es gab kein einziges mehrheitlich weiblich verantwortetes TV-Serienprojekt, das eine

Förderungszusage erhielt – nur annähernd jedes 20. TV-Spielfilmprojekt war weiblich verantwortet, das galt auch für jede vierte TV-Dokumentation. Dieses massive Ungleichgewicht im TV-Bereich hat sich seit dem letzten Report nicht verbessert, bei den TV-Spielfilmen mit einem Minus von sechs Prozentpunkten sogar verschlechtert.

Der Nachwuchs ist weiblich! 

56% der Nachwuchsregisseur*innen der Filme mit Kinostart 2020–2021 waren Frauen. Bei den etablierten Regisseur*innen betrug der Frauenanteil nur 36%. Im Nachwuchs-Spiel- film wurden 41% der Filme weiblich verantwortet, was nahezu gleichauf mit den 42% der männlich verantworteten Filme liegt. Dagegen waren im Bereich des Etablierten-Spielfilms lediglich 6% der Filme weiblich verantwortet. Männlich verantwortete Filme machten hier einen überwältigenden Anteil von 82% aus. Im Dokumentarfilmbereich zeichnet sich ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis ab. Dies gilt sowohl im Nachwuchs- als auch im Etablierten-Film.

Männer erklären die Welt

In Dokumentarfilmen mit Kinostart zwischen 2020 und 2021 stellten Frauen mehr als die Hälfte (56%) der Protagonist*innen dar. Trotz dieses ausgeglichenen Geschlechterverhältnisses blieben Frauen auf der sprachlichen Ebene unterrepräsentiert: Nur 38% der gesamten Redezeit in diesen Filmen entfiel auf weibliche Protagonist*innen. Zudem zeigt sich eine klare Geschlechterdisparität in Bezug auf fachliche Expertise: Von allen Expert*innen, die in Dokumentarfilmen des Jahres 2020–2021 auftraten, waren lediglich 38% weiblich. Ein Rückblick über einen Zeitraum von zehn Jahren (2012–2021) zeigt, dass hier nur 26% der Expert*innen weiblich waren.

Darsteller:innen im Kinospielfilme 

2012-2019

Deutlich größere Unterschiede gab es jedoch in der Art der Darstellung: Weiblich verantwortete Filme repräsentierten häufiger von Männern unabhängige Frauenfiguren. Mehr als 80% der weiblich verantworteten Filme bestanden den Bechdel-Wallace-Test, während dies nur für die Hälfte der männlich verantworteten Filme zutraf.

(Quelle: Zweiter Österreichischer Film Gender Report, S. 4)

2020-2021

Im Zeitraum 2020–2021 gab es in österreichischen Kinospiel- filmen annähernd gleich viele weibliche wie männliche Haupt- figuren. Betrachtet man jedoch die Art der Darstellung mittels Bechdel-Wallace Test, so zeigen sich deutliche Unterschiede:

Im Zeitraum 2012–2021 bestanden 82 % der Spielfilme mit weib- lichen Kernteams diesen Test, was bedeutet, dass diese Filme eigenständige weibliche Hauptfiguren zeigten, die nicht ledig- lich auf Männer bezogen sind. Bei den männlich verantworteten Spielfilmen traf dies nur auf die Hälfte (51 %) zu. 

(Quelle: Dritter Österreichischer Film Gender Report, S. 4)

Bechdel-Wallace-Test

Der Bechdel-Wallace-Test (auch bekannt als Bechdel-Test) gilt als Methode, um die Repräsentation von Frauen im Film zu messen. Er geht aus dem Comic “Dykes to Watch Out For” der US-Amerikanischen Comiczeichnerin Alice Bechdel von 1985 hervor. Darin ließ sie eine ihrer Figuren erklären, dass diese nur Filme schaue, die die folgenden Kriterien erfüllen: 

Es gibt mindestens zwei Frauenrollen;
Die beide miteinander sprechen;
Und zwar über etwas anderes als einen Mann.

Die Idee aus dem Comic wurde in die Filmkritik übernommen und wird bis heute genutzt. Wenn ein Film alle drei Kriterien erfüllt, hat er den Bechdel-Wallace-Test bestanden. Der Test wurde im Laufe der Zeit um das Kriterium, dass die Frauenrollen Namen haben, erweitert.

(Quelle: https://sexismus-lexikon.de/glossary/?term=bechdel-test#terms-term-id-bechdel-test)

2012-2019

Ältere Männer kamen in den analysierten Spielfilmen doppelt so oft vor wie ältere Frauen. Frauen wurden auch öfter auf ihr Äußeres reduziert: Die Attraktivität weiblicher Figuren war in österreichischen Filmen dreimal häufiger Gesprächsthema als die Attraktivität männlicher Figuren. Wenn in österreichischen Kinospielfilmen sexualisierte Gewalt gezeigt wurde, erfolgte die Darstellung entlang gängiger Opfer-Täter-Narrative: Täter*innen waren meist Männer, Angegriffene meist Frauen.

(Quelle: Zweiter Österreichischer Film Gender Report, S. 4)

2020-2021

Untersucht wurde auch das Alter der Schauspieler*innen, die im Spielfilm Hauptfiguren verkörperten. Es zeigt sich, dass weib- liche Schauspieler*innen etwas häufiger in das Feld des jungen Erwachsenenalters fielen (circa Mitte 20 bis Anfang 40 Jahre), während sich das Alter der männlichen Schauspieler*innen brei- ter verteilte. Die Zeitspanne, in der weibliche Schauspieler*innen im österreichischen Film Engagements erhielten, war also kürzer als die ihrer männlichen Kolleg*innen.

(Quelle: Dritter Österreichischer Film Gender Report, S. 4)

Wichtige Links:

Frauen in der Filmindustrie – ein persönlicher Zugang

Die Filmindustrie ist ein Spiegel unserer Gesellschaft – und zugleich ein Machtinstrument, das prägt, wie wir die Welt sehen. Doch wer hat hinter der Kamera die Kontrolle? Mit meinem Rechercheblog für die Masterarbeit möchte ich die Geschlechterverhältnisse in der Filmproduktion beleuchten und hinterfragen, welche Herausforderungen Frauen in dieser Branche begegnen. 

Um ein tieferes Verständnis für die gegenwärtigen Strukturen zu erlangen, möchte ich in erster Linie den Blick in die Vergangenheit richten. Wie entwickelte sich die Filmindustrie, und welche Dynamiken haben Frauen darin geprägt – oder ausgegrenzt? Ich werde mich mit den Filmpionierinnen der verschiedenen Jahrzehnte beschäftigen und versuchen, ihre oft vergessenen Geschichten ans Licht zu bringen. Von den frühen Tagen der Stummfilmära über die marginalisierten Positionen in der goldenen Hollywood-Zeit bis hin zu den feministischen Bewegungen der 1970er Jahre und ihrer Relevanz für die heutige Filmbranche – die Entwicklung der Rolle der Frau in der Filmindustrie erzählt auch eine Geschichte von gesellschaftlichem Wandel.

Recherche

  • Historische Recherchen: Von Alice Guy-Blaché bis Agnès Varda möchte ich bedeutende Frauen in der Filmgeschichte vorstellen und untersuchen, wie ihre Errungenschaften die heutige Filmindustrie beeinflussen.
  • Analyse zeitgenössischer Filme: Besonders im Bereich des Dokumentarfilms möchte ich untersuchen, wie weibliche Perspektiven gesellschaftliche und ästhetische Narrative bereichern.
  • Daten und Studien: Berichte wie der Dritte Österreichische Film Gender Report oder internationale Studien dienen als Grundlage, um Geschlechterverhältnisse in der Branche datenbasiert zu beleuchten.

Ziele meiner Arbeit

Dieser Rechercheblog für die Masterarbeit soll nicht nur Forschung sein; es ist mir ein persönliches Anliegen, einen Raum zu schaffen, in dem Frauen in der Filmindustrie ihre Erfahrungen und Fähigkeiten sichtbar machen können. Durch Interviews, Analysen und Reflexionen hoffe ich, nicht nur ein differenziertes Bild der Branche zu zeichnen, sondern auch Impulse für strukturelle Veränderungen zu setzen.

Ich möchte durch meine Forschung nicht nur die Geschichte von Frauen in der Filmindustrie nachzeichnen, sondern sie in den aktuellen Kontext setzen. Dabei interessieren mich besonders Fragen wie:

  • Historische Entwicklungen: Welche Strukturen und gesellschaftlichen Normen führten dazu, dass Frauen über Jahrzehnte hinweg in der Filmindustrie marginalisiert wurden?
  • Dokumentarfilm als Chance: Warum bietet gerade der Dokumentarfilm Frauen einen Raum, in dem sie ihre Perspektiven und politischen Anliegen einbringen können?
  • Lernen aus der Geschichte: Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Geschichte der Filmindustrie ableiten, um heutige Ungleichheiten abzubauen und die Branche diverser zu gestalten?
  • Frauen in technischen Gewerken: Warum bleiben Frauen in technischen Bereichen wie Kamera, Ton und Schnitt so deutlich unterrepräsentiert? Wie können gezielte Maßnahmen dazu beitragen, diese Barrieren zu überwinden?

Der Blick zurück zeigt, dass Frauen schon immer Teil der Filmindustrie waren – oft gegen die Widerstände ihrer Zeit. 

Frauen haben die Filmindustrie von Beginn an mitgeprägt, wurden jedoch oft aus dem Rampenlicht gedrängt. Der Blick zurück zeigt nicht nur, wie widerständig und kreativ Frauen in einer männlich dominierten Branche agierten, sondern auch, wie viel Potenzial durch strukturelle Hürden verloren ging.

Indem ich diese Geschichten erzähle und in den aktuellen Kontext setze, möchte ich aufzeigen, dass die Gleichstellung von Frauen nicht nur eine moralische oder soziale Notwendigkeit ist, sondern auch ein enormes kreatives Potenzial freisetzt. Es ist an der Zeit, dass die Filmindustrie zu einem gerechteren Ort wird – und diese Veränderung beginnt mit der Sichtbarkeit derer, die allzu oft übersehen wurden.