In meiner täglichen Arbeit als Editorin im Bereich Dokumentarfilm ist man immer mit neuen Technologien konfrontiert, die unseren Workflow verändern – oder zumindest zum Überdenken anregen. Eine dieser Entwicklungen ist der Einsatz von KI-generierten Stimmen. Besonders bei redaktionellen Abnahmen und in der Trailer-Erstellung wurde in unserem Team zuletzt mit KI-Stimmen experimentiert, um die Vorstellungskraft bei unfertigen Filmfassungen zu verbessern.
In diesem Beitrag möchte ich einen praktischen Einblick geben, wie wir die Stimmen von ElevenLabs getestet haben und welche Probleme dabei aufgetaucht sind.
Anwendungsfall: Redaktionelle Abnahme mit KI-Stimme
Der klassische Ablauf bei uns sieht so aus: Der Roughcut eines Dokumentarfilms wird zusammen mit dem Sprechertext als Word-Datei an die Redaktion übermittelt. Diese prüft den Text, macht redaktionelle Änderungen und gibt Feedback. Danach gibt es den Picture Lock und daraufhin starten die Sprachaufnahmen im Tonstudio mit Sprecher:in, Regie und Tonmeister.
Um diesen Prozess zu unterstützen, kam die Idee auf, den Sprechertext nicht nur schriftlich zu liefern, sondern ihn über eine KI-Stimme einzusprechen und direkt in den Roughcut zu integrieren. Die Hoffnung war, der Redaktion so einen besseren Eindruck vom Timing, der Emotionalität und der Wirkung des Films zu vermitteln.
Technisch umgesetzt haben wir das mit ElevenLabs, einem Anbieter für KI-Stimmen, der besonders für seine natürlich klingende Sprachsynthese bekannt ist.
Erste Eindrücke aus der Praxis
Die Idee klang im ersten Moment vielversprechend – doch die Realität sah etwas anders aus.
Die Redaktion reagierte eher irritiert als begeistert. Die Gründe waren vielfältig:
- Die Passagen waren oft zu lang oder zu kurz, weil die synthetische Stimme nicht wie ein Mensch pausiert oder moduliert. Das Timing passte also nicht zur Bildmontage.
- Die Tonalität wirkte oft unpassend. Besonders bei emotionalen oder sensiblen Inhalten kam die synthetische Stimme zu neutral, zu technisch oder sogar ungewollt distanziert rüber.
- Die KI-Stimme wurde fälschlich für einen Entwurf der Finalfassung gehalten, was Missverständnisse in der Kommunikation verursachte.
Fazit: Die Redaktion bat letztlich darum, wieder ausschließlich mit Word-Dokumenten zu arbeiten. Die gewünschte Verbesserung des Abnahmeprozesses blieb aus – zumindest in diesem Setting.
Bekannte Probleme beim Einsatz von ElevenLabs-Stimmen
Trotz der beeindruckenden Technologie gibt es einige klare Limitationen und Probleme, auf die man beim Einsatz von ElevenLabs achten sollte:
Unnatürliche Intonation und Betonung
- KI-Stimmen setzen Betonungen oft an unerwarteten Stellen.
- Komplexe Satzstrukturen, Fremdwörter oder Namen führen häufig zu fehlerhaften Aussprachen.
- Pausen wirken technisch und nicht organisch – insbesondere bei emotional geladenen Passagen.
Tonalität schwer steuerbar
- ElevenLabs bietet zwar verschiedene Emotionsprofile, doch deren Wirkung ist begrenzt und nicht konsistent.
- Der Übergang zwischen ruhigen und aufgeregten Passagen klingt oft künstlich oder sogar verstörend.
- Die Nuancen der menschlichen Stimme – Ironie, Zweifel, Wärme – lassen sich (noch) nicht ausreichend simulieren.
- Bei längeren Texten treten hörbare Unterschiede auf wenn Passagen neu generiert werden müssen (z. B. plötzliche Stimmsprünge, veränderte Tonhöhe).
Fazit
Die Idee, KI-Stimmen in der redaktionellen Abnahme oder für Trailer-Entwürfe zu nutzen, ist technisch möglich – aber in der Praxis aktuell noch nicht ausgereift genug für den redaktionellen Alltag im Dokumentarfilm.
Insbesondere im öffentlich-rechtlichen oder journalistischen Kontext, wo Authentizität, Glaubwürdigkeit und emotionale Präzision zählen, stößt die Technologie (noch) an Grenzen.
Trotzdem: Die Potenziale sind da. Für interne Testfassungen, Vorvisualisierungen oder das kreative Experimentieren können Tools wie ElevenLabs durchaus hilfreich sein – solange man ihre Limitationen kennt und bewusst einsetzt.
Erstellung englischsprachiger Trailerfassungen
Ein weiterer spannender Anwendungsbereich für KI-Stimmen hat sich bei uns in der Erstellung englischsprachiger Trailerfassungen ergeben. Während die deutsche Version wie gewohnt professionell eingesprochen wurde, testeten wir für die englische Adaption den Einsatz von KI-generierten Stimmen – wieder mit ElevenLabs als Tool der Wahl.
Gerade bei internationalen Vertriebsfassungen oder Festivalpräsentationen muss es oft schnell gehen – und das Budget für zusätzliche Sprecher:innen ist begrenzt. KI-Stimmen versprechen hier eine zeitsparende und kostengünstige Lösung.
Stimmfarbe und Präsenz:
Die Stimmen von ElevenLabs klingen zwar sauber und technisch beeindruckend, aber es fehlt häufig an der nötigen Körperlichkeit. Gerade in dramatischen Trailern braucht es eine „Wucht“ – ein Stimmvolumen, das tief in den Bauch geht.
Emotionale Dynamik:
Wechsel zwischen Spannung, Ruhe und dramatischem Höhepunkt – wie sie für gute Trailer typisch sind – wirken bei der KI oft flach.
Aussprache & Betonung:
Auch im Englischen waren teilweise Fremd- oder Eigennamen ein Problem – insbesondere deutsche oder osteuropäische Namen wurden unnatürlich betont.
Fazit aus der Trailer-Arbeit
KI-Stimmen können in der Trailerproduktion aktuell eine schnelle Vorschau liefern – z. B. für interne Präsentationen oder erste Vertriebspitches. Für finale, publikumswirksame Fassungen jedoch sind sie noch nicht ausgereift genug, um mit echten Sprecher:innen zu konkurrieren.
Die Stimme ist im Trailer mehr als Information – sie ist Teil der Inszenierung, in manchen Fällen sogar das emotionale Herzstück. Genau hier bleibt die menschliche Stimme unersetzlich.
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