KI-Editing: Kann eine KI den Rohschnitt übernehmen?

Während KI-generierte Bilder, Stimmen und Texte längst in der Kreativwelt angekommen sind, beginnt sich auch der Videoschnitt langsam zu verändern. Immer mehr Tools versprechen, Teile des Schnittprozesses zu automatisieren – vor allem dort, wo es um Struktur, Rhythmus und Textverständnis geht. Besonders im Rohschnitt, bei Interviews, Podcasts oder Social Clips, wächst das Potenzial. Für Dokumentationen gilt es bislang ewig bis keine Programme, deshalb bezieht sich diese Analyse primär auf andere Formate.

Die Frage ist, wie gut sind diese KI-Helfer wirklich? Können sie menschliches Schnittgefühl ersetzen oder sind sie nur clevere Assistenten? Um diesen Fragen genau auf den Grund zu gehen, habe ich 4 Programme genauer betrachtet Autopod, Descript, Pictory und AutoCut.

1. Autopod

Autopod ist ein Plugin für Adobe Premiere Pro, das automatisch zwischen Kameraperspektiven schneidet, primär perfekt für Podcasts oder Interviews mit mehreren Sprecher:innen. Die KI erkennt, wer spricht, und schaltet zur passenden Kameraansicht, ohne dass manuelle Schnittpunkte gesetzt werden müssen.

Stärken:

  • Extrem schnelle Erstellung eines Multicam-Rohschnitts
  • Individuell anpassbare Regeln für Kameraschnitte
  • Spart Stunden bei langen Interviews oder Diskussionsformaten

Schwächen:

  • Emotionale Reaktionen (Blickkontakt, stille Reaktionen) werden nicht erkannt
  • Für filmischere Formate mit dramaturgischem Feingefühl ungeeignet
  • Nur sinnvoll bei klaren Audioverhältnissen und separaten Mikrofonspuren

Preis: $29/Monat

2. Descript

Descript bietet einen textbasierten Ansatz: Das Videomaterial wird transkribiert und lässt sich wie ein Word-Dokument bearbeiten. Löscht man einen Satz im Text, entfernt die Software automatisch den dazugehörigen Clip. Ideal für Interviews, Tutorials oder Podcasts.

Stärken:

  • Intuitive Bedienung über Text – ideal für Nicht-Editor:innen
  • Automatische Entfernung von Füllwörtern und Pausen
  • Tolle Exportoptionen für Podcast, Video und Social Media

Schwächen:

  • Schnittlogik ist linear und reduziert – komplexe Szenen schwer umsetzbar
  • Keine filmische Gestaltung möglich (Schnittdynamik, Rhythmus)
  • Design und Typografie stark limitiert – visuelle Nachbearbeitung nötig

Preis: Hobbyist $24/Monat, Creator $35/Monat, Business $65/Monat

3. Pictory 

Pictory ist ein browserbasiertes Tool, das sich vor allem an Marketing- und Content-Teams richtet. Aus einem Video (z. B. Interview oder Webinar) generiert Pictory automatisch Kurzclips mit Untertiteln, passenden Schnitten und visuellen Highlights. Der Fokus liegt klar auf Social-Media-fähigem Content.

Stärken:

  • Gute Transkription und Keyframe-Erkennung
  • Schnelle Erstellung von 30–90 Sekunden-Clips mit Untertiteln
  • Effizient für Reels, LinkedIn-Snippets oder Insta-Stories

Schwächen:

  • Visuelle Qualität ist oft generisch
  • Erkennung wirklich relevanter Aussagen ist oberflächlich
  • Keine filmische Präzision, kein Dramaturgieverständnis

Preis: Starter $25/Monat, Professional $49/Monat, Team $119/Monat

4. AutoCut 

AutoCut ist ein Plugin für Adobe Premiere Pro und DaVinci Resolve, das auf KI-gestützte Automatisierung im Videoschnitt spezialisiert ist. Es richtet sich an Creator, Podcaster:innen und Content-Teams, die mit Talking-Head-Videos, Interviews oder Social Media Clips arbeiten. AutoCut analysiert Audio und Bild, entfernt Sprechpausen, setzt automatische Zooms, erstellt Untertitel und schneidet Multicam-Interviews auf Basis der Sprechererkennung.

Stärken:

  • Sehr gute Erkennung von Sprechpausen und automatische Entfernung
  • Schneller Multicam-Schnitt nach Sprecherwechsel (ideal für Podcasts)
  • Direkt in Premiere Pro / Resolve integriert, kein Wechsel ins Browser-Tool
  • Zusätzliche Features wie AutoZoom, AutoCaptions und AutoResize

Schwächen:

  • Dramaturgische Entscheidungen (z. B. Blickkontakt, Betonungen) bleiben KI verborgen
  • Transkriptionsfehler führen zu falschen Schnitten oder Untertitelproblemen
  • Visuelle Gestaltung (z. B. Layout der Captions) wirkt oft generisch
  • Für emotionale, dokumentarische oder künstlerische Schnitte ungeeignet

Preis: AI Plan $19,80/Monat

Fazit: 

Die getesteten Tools zeigen: KI kann bereits viel leisten, vor allem in Formaten, die strukturiert, repetitiv und sprachbasiert sind. Interviews, Podcasts, Webinare oder kurze Clips lassen sich in erstaunlicher Geschwindigkeit vorbereiten – das spart Zeit und Ressourcen. Wer ihre Stärken kennt und gezielt einsetzt, profitiert enorm. 

Was KI allerdings nicht kann: Emotionale Spannungsbögen erfassen, Bild-Ton-Dramaturgie gestalten, Subtext, Ironie oder Timing bewusst einsetzen

Der menschliche Schnitt bleibt weiterhin entscheidend – besonders in dokumentarischen, erzählerischen oder cineastischen Formaten. KI-Tools wie Autopod oder AutoCut sind effiziente Helfer, aber keine Erzähler.

Warum der Mensch (aktuell) im Schnittprozess unverzichtbar bleibt

Trotz aller beeindruckenden Fortschritte bleibt eines klar: Der Schnitt ist nicht nur ein technischer, sondern vor allem ein erzählerischer und ethischer Akt. Schnitt bedeutet Auswahl, Interpretation, Gewichtung – und oft auch Verantwortung gegenüber Menschen, deren Stimmen und Geschichten im Film sichtbar werden. Eine KI mag Tempo und Struktur automatisieren, aber sie versteht nicht, was sie erzählt. Sie kennt keine Zwischentöne, keine Intention, kein Mitgefühl. Besonders im dokumentarischen Kontext braucht es ein Gespür für Stimmung, Respekt, Spannung und Relevanz – all das sind Eigenschaften, die nur der Mensch im Schnittraum mitbringt. KI kann helfen, Prozesse zu beschleunigen, aber nicht ersetzen, was das Erzählen menschlich macht: Empathie, Kontext und die Fähigkeit, Bedeutung aus Bildern und Stimmen zu formen. Die kreative Verantwortung liegt – und sollte auch weiterhin – beim Menschen bleiben.

Quellen: https://www.autopod.fm

https://www.descript.com/?redirect=false

https://pictory.ai

https://www.autocut.com/en/

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