Pionierinnen des Films: Thea von Harbou

Thea von Harbou, eine der einflussreichsten Drehbuchautorinnen und Schriftstellerinnen der Weimarer Republik (1919–1933), hat mit ihrem umfangreichen Werk sowohl die Filmgeschichte als auch gesellschaftliche Debatten nachhaltig geprägt. Ihre Mitarbeit an einigen der bekanntesten deutschen Filme wie Metropolis (1927), Spione (1928) und Frau im Mond (1929) in Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Fritz Lang und F.W. Murnau macht sie zu einer Schüsselfigur der deutschen Filmgeschichte. Trotz ihres unbestreitbaren Talents und Einflusses wird ihr Vermächtnis aufgrund ihrer politischen Entscheidungen in der Zeit des Nationalsozialismus bis heute kontrovers diskutiert.

Biografischer Hintergrund

Thea von Harbou wurde am 27. Dezember 1888 in Tauperlitz bei Hof geboren und wuchs in einer aristokratischen Familie auf. Als junge Frau begann sie eine Karriere als Schauspielerin und spielte von 1906 bis 1914 an Bühnen in Düsseldorf, Weimar und Aachen. Diese Erfahrungen prägten ihren Übergang zur Schriftstellerei und Drehbucharbeit. Ihre ersten literarischen Werke erschienen ab 1910 und erfreuten sich einer breiten Leserschaft. Harbou kombinierte Sensationsgeschichten mit Elementen von Abenteuer und Science-Fiction und thematisierte dabei häufig soziale und nationale Fragen. Ihr früher Erfolg ermöglichte es ihr, sich zunehmend auf die Filmbranche zu konzentrieren.

Im Jahr 1914 heiratete Harbou Rudolf Klein-Rogge, einen Schauspieler, der später in vielen ihrer Filme tragende Rollen übernahm. 1919 begann ihre künstlerische und persönliche Partnerschaft mit Fritz Lang, den sie 1922 heiratete. Gemeinsam schufen sie einige der einflussreichsten Werke des deutschen Stumm- und Tonfilms.

Schaffen und Werke

Thea von Harbou arbeitete während ihrer Karriere mit renommierten Regisseuren wie Joe May, F.W. Murnau und Carl Theodor Dreyer zusammen. Ihre bedeutendsten Arbeiten entstanden jedoch in Kooperation mit Fritz Lang, darunter Das indische Grabmal (1921), Die Nibelungen (1924), Metropolis (1927) und Spione (1928). Viele dieser Filme basierten auf Harbous eigenen Romanen und Geschichten, die sie entweder vor oder parallel zur Drehbuchentwicklung veröffentlichte.

Besonders hervorzuheben ist Metropolis, ein visuelles und inhaltliches Meisterwerk, das futuristische Stadtlandschaften mit einer sozialkritischen Botschaft kombiniert. Obwohl Lang oft als der alleinige Schöpfer dieser Filme dargestellt wird, trug Harbou maßgeblich zu deren Dramaturgie und narrativer Tiefe bei. Kritiker wie Siegfried Kracauer lobten zwar Langs Regie, sahen Harbou jedoch oft als Quelle für den “sensationalistischen” Inhalt dieser Filme. Dies verdeutlicht die schwierige Position, die Frauen im frühen 20. Jahrhundert innerhalb der Filmindustrie innehatten: Ihre kreativen Beiträge wurden oft hinter den männlichen Regisseuren verborgen.

Ihre Drehbücher zeichneten sich durch eine präzise dramaturgische Struktur, psychologische Tiefe und die Integration von visuellen Elementen aus, die speziell für das Medium Film entwickelt wurden. Vsevolod Pudovkin, ein bedeutender russischer Filmemacher, lobte Harbous Fähigkeit, die Möglichkeiten der Kamera, des Schnitts und der visuellen Intensität auszuschöpfen.

Herausforderungen und politische Kontroversen

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 trennten sich die beruflichen und persönlichen Wege von Harbou und Lang. Während Lang ins Exil ging, entschied sich Harbou, in Deutschland zu bleiben und weiterhin im Filmgeschäft zu arbeiten. Ihre Bereitschaft, mit dem NS-Regime zu kooperieren, trübt ihr Vermächtnis erheblich. Sie schrieb Drehbücher für Regisseure wie Veit Harlan und Hans Steinhoff, die eng mit der nationalsozialistischen Propaganda verflochten waren. Harbou nutzte ihre Werke, um die politischen Ideologien des Dritten Reichs oft indirekt zu unterstützen, indem sie sich auf Themen konzentrierte, die nationale und kulturelle Ideale verherrlichten. Filme wie Der Herrscher (1937) reflektierten diese Tendenzen und trugen dazu bei, den Status quo des Regimes zu stabilisieren.

Ihre Entscheidung, in Deutschland zu bleiben, wurde von Zeitgenossen und Historikern unterschiedlich interpretiert. Einige sehen darin Opportunismus und eine politische Anpassung, andere betonen die finanziellen und sozialen Zwänge, denen sie als Frau in einer schwierigen politischen und beruflichen Situation ausgesetzt war. Ihr Engagement in der NS-Zeit bleibt ein umstrittener Aspekt ihrer Karriere und trübt ihre früheren künstlerischen Errungenschaften.

Harbous Karriere erlitt nach dem Zweiten Weltkrieg einen schweren Rückschlag, und sie wurde von den alliierten Behörden kurzzeitig interniert.

Trotz ihres Rufs als politische Opportunistin blieb Harbou auch nach dem Krieg literarisch und filmisch aktiv. Sie schrieb Drehbücher und Romane und hielt Vorlesungen an der Freien Universität Berlin. Sie starb am 1. Juli 1954 an den Folgen eines Unfalls.

Bedeutung und Nachwirkung

Thea von Harbou war eine der wenigen Frauen ihrer Zeit, die in der männlich dominierten Filmindustrie eine einflussreiche Position innehatte. Ihre Drehbücher trugen entscheidend zum Erfolg der deutschen Stummfilme und frühen Tonfilme bei, und sie setzte Maßstäbe für die Dramaturgie und das Erzählen im Film. Gleichzeitig bleibt ihr Vermächtnis aufgrund ihrer politischen Entscheidungen umstritten.

Die Trennung zwischen ihrer Arbeit in der Weimarer Republik und während des Dritten Reichs erlaubt eine differenzierte Betrachtung ihrer Karriere. Während ihre Stummfilme von vielen als Höhepunkt des deutschen Kinos gefeiert werden, werden ihre Werke aus der NS-Zeit häufig als Beleg für ihre moralische und politische Kompromissbereitschaft gesehen. Dennoch ist es wichtig, Harbous Leistungen im Kontext ihrer Zeit und ihrer begrenzten Möglichkeiten als Frau zu betrachten.

Fazit

Thea von Harbou war eine talentierte und ehrgeizige Frau, die sich in einer von Männern dominierten Branche behauptete. Ihr Werk spiegelt nicht nur ihre kreativen Fähigkeiten wider, sondern auch die sozialen und politischen Umbrüche ihrer Zeit. Während ihre Verbindung zum Nationalsozialismus ihr Vermächtnis belastet, bleibt sie eine zentrale Figur der deutschen Filmgeschichte, deren Einfluss und Bedeutung nicht ignoriert werden können.

Quelle: https://wfpp.columbia.edu/pioneer/ccp-thea-von-harbou/ https://de.wikipedia.org/wiki/Thea_von_Harbou

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