„Irgendwas passt nicht“ oder „Mein Übergang ist einfach nicht smooth…“
Und damit willkommen beim Thema Bewegunsgrichtung und -orientierung.
Flüssige Animationen und damit die Aufmerksamkeit des Publikums zu halten ist wohl eine der größten Herausforderungen im Motion Design. Eine Technik die den Blick und die Aufmerksamkeit der Zuschauer:innen gezielt lenkt – ohne dabei manipulativ zu wirken – nennt sich „Eye Tracing“ (nicht zu verwechseln mit Eye Tracking). Es gibt jede Menge Prinzipien die sich in den letzten Jahrzehnten etabliert haben, um Geschichten mit dieser Technik fesselnd und klar zu erzählen! (Vgl. Richardson/Plummer 2024)
Was ist Eye Tracing?
Bei Eye Tracing geht es darum, die Bewegung des Hauptobjektes zu nutzen, um den Blick und die Aufmerksamkeit der Betrachter:innen gezielt zu lenken.
Dabei kombiniert diese Technik verschiedene Ansätze, wie Bewegung, Bildkomposition, Farbe und Kontrast – jedemenge Dinge die schon in vorherigen Blogposts eine große Rolle gespielt haben! Das Ziel von gutem Eye Tracing ist es, dass der Blick der Betrachter:innen unbewusst und flüssig über den Bildschirm wandert und immer dort ankommt, wo die wichtigen visuellen Elemente präsentiert werden. (Vgl. Richardson/Plummer 2024)
Was heißt das jetzt Motion Designer? (Oh nein, noch mehr zu bedenken?!) Die Bewegungen in der Animation müssen nicht nur “gut” aussehen, sondern müssen auch so gestaltet werden, dass sie den Blick genau an die richtige Stelle lenken. Das macht die Animationen nicht nur spannender, sondern verbessert auch effektiver in der visuellen Kommunikation. (Vgl. Richardson/Plummer 2024)
Dieses kleine Video zum Thema Eye Trace fasst schnell und kurz zusammen, worum es in diesem kapitel grundsätzlich gehen wird:
Warum Eye Tracing nutzen?
Jacob Richardson und Ryan Plummer beschreiben die Funktion von Eye Tracing wie das Rufen eines Freundes auf der anderen Straßenseite: Man lenkt zuerst mit einem akustischen Reiz die Aufmerksamkeit auf sich und nutzt dann eine zusätzliche visuelle Geste, wie Winken, um den Blick zielgerichtet zu führen. (Vgl. Richardson/Plummer 2024)
In der Animation geschieht dies durch visuelle oder akustische Reize, etwa das Aufblitzen eines Objekts oder durch Soundeffekte. Diese Signale aktivieren die instinktive Aufmerksamkeit der Betrachter:innen und lenken den Blick gezielt auf bestimmte Bildbereiche. (Vgl. Richardson/Plummer 2024)
Ein wundervolles Beispiel dazu von „Ordinary Folk“ (wahrscheinlich den Götter der Animation und Motion Graphics):
Aber wie kommt man da hin?
In erster Linie kann man sich das Animationsprinzip Staging noch einmal genauer ansehen, denn dieses versucht Aktionen, Emotionen und Szenen auf klare, kohärente und verständliche Weise zu vermitteln, sodass die Zuschauer:innen mühelos der Handlung folgen können (Vgl. DeeDee Animation Studio o.D.).
Das DeeDee-Studio aus Vietnam unterteilt die wesentlichen Aspekte des Staging in 3 Punkte: Das Schauspiel (der Character), das Timing der Animation und das Setting.
- Schauspiel (Acting)
Besonders wichtig in der Charakter-Animation sind ausdrucksstarke (und durchaus übertriebene) Posen und Aktionen. Schon in frühen Disney Animationen – damals noch schwarz und weiß– wurde der Fokus auf klare, aussagekräftige Silhouetten gelegt, um Handlungen einfach und effektiv darzustellen – ein Prinzip, das bis heute in 3D-Produktionen Anwendung findet. Ein gutes Beispiel ist der Film Spider-Man: Into the Spider-Verse, der kraftvolle Posen nutzt, um Figuren und Aktionen zu betonen (Vgl. DeeDee Animation Studio o.D.). - Timing
Das Timing ist entscheidend, um den Fluss einer Szene zu kontrollieren und die Aufmerksamkeit der Zuschauer:innen gezielt zu lenken – das wird auch durch die Beispiele oben deutlich. Klare Trennung von verschiedenen Aktionen und die richtige Dauer der Bewegungen ermöglichen ein besseres Verständnis der Handlung und Betrachter:innen können besser folgen. (Vgl. DeeDee Animation Studio o.D.). - Settings
Das Setting soll die Hauptcharaktere hervorheben und durch Hierache klar eine „Haupt-Neben-Beziehung“ festlegen. Eine Überladung mit Details kann die Aufmerksamkeit vom Wesentlichen ablenken – wie wir bereits im Kapitel „Überladung“ besprochen haben. Ein effektives Arrangement von Hintergrundelementen unterstützt jedoch die Persönlichkeit und Emotionen der Figuren, beispielsweise im Erklärvideo von Eye Tracing: Das Auge folgt der Form und wird nicht davon abgelenkt dass Sterne im Hintergrund erscheinen, sie werden aber dennoch wahrgenommen und sorgen für Details und Qualität (Vgl. DeeDee Animation Studio o.D.).
1.2 Wie Bewegungsführung den narrativen Fluss unterstützt
Für diesen Abschnitt können auch jene Quellen hinzugezogen werden, die nicht spezifisch über Animation, sondern über Film sprechen, denn Bewegungsführung spielt eine entscheidende Rolle in beiden Medien, um den narrativen Fluss zu fördern und Zuschauer:innen durch die Geschichte zu leiten.
Es werden verschiedene Bewegungsrichtungen eingesetzt, um visuelle Kontinuität herzustellen. Walter Murch beschreibt in In the Blink of an Eye die Bedeutung einer klaren visuellen Abfolge, denn durch gezielte Bewegungen der Charaktere oder Objekte innerhalb des Frames wird der Fokus verstärkt, wodurch der narrative Zusammenhang erhalten bleibt. Murch betont, dass Bewegungsrichtungen immer in den narrativen Kontext eingebettet sein sollten. Eine bewusst gewählte Bewegungsrichtung kann nicht nur die logische Abfolge der Handlung sicherstellen, sondern auch emotionale Botschaften vermitteln – etwa Vorwärtsbewegungen für Fortschritt oder Rückwärtsbewegungen für Unsicherheit und Rückzug. (Vgl. Murch 2001, S. 18–23).
Bewegunfsführung, also die Bewegungsrichtung und Orientierung , unterstützt die Geschichte und erzeugt eine emotionale Wirkung, denn durch die gezielte Ausrichtung von Bewegungspunkten innerhalb der Animation wird der Blick so gelenkt, sodass wichtige narrative Details hervorgehoben werden. (Vgl. Adobe o.D.).
Ein paar konkrete Anwendungsbereiche nach Murch (Vgl. Murch 2001, S. 18–23):
– Fluss zwischen Schnitten durch Bewegungsrichtung:
In aufeinanderfolgenden Szenen bestimmt die Bewegungsrichtung ob visuelle Kontinuität zu gewährleisten. Ein Beispiel wäre es zum Beispiel Achsensprünge zu vermeiden oder spezifischer: Eine Figur, die im ersten Shot nach rechts läuft soll auch im nächste Shot weiterhin in die gleiche Richtung zeigen. Wird die Bewegungsrichtung ohne Grund und plötzlich geändert, kann das für Verwirrung sorgen und den narrativen Fluss unterbrechen. (Vgl. Murch 2001, S. 18–23).
– Führung des Blicks innerhalb des Frames
Bewegungsrichtungen lenken den Blick der Zuschauer:innen innerhalb des Bildausschnitts, wie beim EyeTracing genauer erklärt. Im Film könnte eine Szene etwa damit beginnen, dass eine Person von links nach rechts durch das Bild geht und diese Bewegung in weiterer Folge dann als visuelle Führung dient. Der Fokus liegt dann auf dem nächsten wichtigen Punkt im Frame, sei es ein Objekt, das aufgegriffen wird, oder ein anderer Charakter, der ins Bild kommt.(Vgl. Murch 2001, S. 18–23).
– Rhythmus und Übergang durch Bewegungsrichtung
Die Bewegungsrichtung kann auch den Rhythmus einer Sequenz betonen, indem beispielsweise eine Figur hektisch durch den Raum läuft und durch die Schnittfolge und wechseln Bewegungsrichtungen das Gefühl von Chaos entsteht. Wenn die Figur in weiterer Folge abrupt stoppt oder die Richtung wechselt, kann das als ein emotionaler oder auch narrativer Wendepunkt genutzt werden.
Verschiedene Bewegungsebenen
Man kann in einer Animation, sofern man sie nicht damit überlädt, verschiedene Bewegte Ebenen nutzen. So trägt man schon mit subtilen Animationen dazu bei, dass Tiefe und Dynamik erzeugt werden.Robert Parent beschreibt die Technik des Layering in seiner Arbeit als parallele Bewegung auf verschiedenen Ebenen – wie beispielsweise Charakteranimationen im Vordergrund und subtilen Hintergrundbewegungen – die dann ein realistischeres und immersiveres visuelles Erlebnis schaffen (Vgl. Parent 2012, S. 45–48). Dass kann beispielsweise natürliche Bewegung der Umgebung sein – wie Wolken oder Bäume im Wind – oder auch eine Art Parallax Effekt durch die Kamerabewegung.
Visuelle Bewegungsebenen haben des Weiteren auch in der Erzählung eine Bedeutung. Scott McCloud erläutert, wie parallele Bewegungsebenen genutzt werden können, um komplexe Geschichten zu erzählen, indem die Haupt- und Nebenbewegungen kombiniert werden und es so ermöglichen, mehrere narrative Stränge gleichzeitig darzustellen. So kann Komplexität und Vielschichtigkeit einer Szene betont wird. In einem Beispiel beschreibt McCloud eine Szene, in der die Hauptfigur im Vordergrund eine Handlung ausführt – beispielsweise das Öffnen eines Briefs – während im Hintergrund unscheinbare Bewegungen stattfinden, die ebenfalls zur Geschichte beitragen, z.B. eine tickende Uhr oder eine andere Figur, die unauffällig den Raum verlässt. Während die Hauptbewegung die zentrale Handlung zeigt, liefert die Nebenbewegung weitere Informationen und Atmosphäre. (Vgl. McCloud 1993, S. 42–47).
Quellen
DeeDee Animation Studio (o.D.).
DeeDee Animation Studio (o.D.): 12 Principles of Animation: All You Need to Know About Staging in Story Design and Layout. In: www.deedeestudio.net, https://www.deedeestudio.net/en/post/principles-animation-staging-animation(zuletzt aufgerufen am 06.01.2025)
Richardson/Plummer 2024
Richardson, Jacob/Plummer,Ryan (o.D.):Master Engaging Animation with Eye Tracing In: schoolofmotion, https://www.schoolofmotion.com/blog/eye-tracing-animation (zuletzt aufgerufen am 06.01.2025)
Adobe o.D.
Adobe (o.D): Die 12 Prinzipien der Animation. In: Adobe/Animation/Discover, https://www.adobe.com/de/creativecloud/animation/discover/principles-of-animation.html (zuletzt aufgerufen am 05.01.2025)
Murch 2001
Murch, Walter (2001): In the Blink of an Eye. Los Angeles: Silman-James Press (2001)
Parent 2012
Parent, Robert (2012): Computer Animation: Algorithms and Techniques, Thesis, The Ohio State University, Ohio 2012, In: https://www.researchgate.net/publication/239008265_Computer_Animation_Algorithms_and_Techniques
McCloud 1993
McCloud, Scott (1993): Understanding Comics. NewYork: Mark Martin(1993)
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